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Eine Einführung in den Veganismus
Eine Einführung in den Veganismus
Was ist überhaupt Veganismus?
Glücklicherweise ist der Begriff des Veganismus gerade im letzten Jahrzehnt bekannter geworden, trotzdem möchte ich kurz darauf eingehen, was es überhaupt heißt, vegan zu leben. Zuallererst, hier eine Übersetzung der Definition der Vegan Society, die bereits 1964 gegründet wurde. „Veganismus ist eine Philosophie und eine Art des Lebens, die versucht – soweit wie möglich und praktisch umsetzbar – alle Formen der Ausbeutung und Grausamkeiten an Tieren für Essen, Kleidung und andere Zwecke zu vermeiden; und in weiterer Folge die Entwicklung und Verwendung von tierfreien Alternativen zu Gunsten von Tier, Mensch und Umwelt fördert. In Bezug auf die Ernährung bedeutet dies den Verzicht auf alle Produkte, die zur Gänze oder teilweise von Tieren gewonnen werden.“ Im Vergleich zu Vegetariern, die kein Fleisch essen, kommt bei einer veganen Lebensweise also dazu, dass gar keine tierischen Produkte wie zum Beispiel Milchprodukte, Eier und Honig konsumiert werden. Veganismus ist mehr als nur eine Diät. Es geht hier aber nicht nur um die Ernährung, sondern auch um viele andere Bereiche des alltäglichen Lebens, so lehnen wir auch die Nutzung tierischer Materialien wie Leder, Pelz, Seide und Wolle ab, verwenden ausschließlich Kosmetika ohne tierischer Inhaltsstoffe und auch nur solche, die ohne Tierversuche getestet werden. Wenn man sich noch nie mit der Thematik beschäftigt hat, möchte man gar nicht glauben, in welchen Produkten tierische Inhaltsstoffe verwendet werden. Hier einige Beispiele an Produkten, in denen tierische Inhaltsstoffe enthalten sein können: Putzmittel – oftmals Tenside aus tierischen Fetten Zahnpasta – Bienenwachs, Glycerin und Knochenmehl Gummibären – Gelatine Zigarettenfilter – Hämoglobin aus Schweineblut als Filterstoff Nagellack – Guanin Waschmittel – Wollfett, Bienenwachs oder auch Rindergalle (in Gallseife) Bücher – Verwendung von Klebstoff (Glutin und Kasein) Kapseln & Tabletten im medizinischen Bereich – Verschiedenste Wirkstoffe im Medikament selbst; Hartkapseln oft aus Gelatine Das waren nur ein paar wenige Beispiele, tatsächlich ist es so, dass in sehr vielen Produkten konventioneller Betriebe irgendwelche tierischen Produkte enthalten sind. Online findet man hier viele Listen sehr überraschender, nicht veganer Konsumgüter. Das mag vielleicht auf den ersten Blick erdrückend wirken, und so klingen, als ob man gar nichts mehr genießen könnte, dem ist aber ganz und gar nicht so. Und warum das so ist, möchte ich dir jetzt gerne kurz berichten. Mein persönlicher Weg zum Veganismus Ich bin seit 01. Jänner 2017 Veganer. Meine Mutter war schon seit ich mich erinnern kann Vegetarierin und so habe ich auch als Kind rein vegetarisch gegessen. Im Laufe der Jahre habe ich bei meinen Großeltern hin und wieder Fleisch gegessen, während meiner Jugend war ich dann Anfangs wieder reiner Vegetarier, dann habe ich für ein paar Jahre Fleisch gegessen, es war also ein hin und her. Gerade 2016 habe ich dann recht viele tierische Produkte gegessen, habe öfter Bauchschmerzen gehabt und war nie so wirklich voller Energie. Zu dieser Zeit habe ich mich dann auch mehr und mehr mit dem Veganismus an sich auseinandergesetzt, gerade weil ich viel über die Missstände der Tierfabriken erfahren habe und das aus ethischen Gründen nicht mehr unterstützen wollte. Der Verzicht als befreiende Chance Somit war es für mich dann ein logischer Schritt Anfang 2017 zu sagen, „Okay, ich probiere mal aus, vegan zu leben und schaue wie es mir damit geht.“ Wie wahrscheinlich fast jeder andere neue Veganer, dachte ich bevor ich es probiert habe, dass es sehr schwer sein würde und dass mir Käse und manche Fleischsorten extrem fehlen würden. Doch dem war absolut nicht so! Im Gegenteil, es war eine große Befreiung für mich. Ich brauchte beim Einkaufen nicht mehr überlegen, ob es mir wert war, Käse zu kaufen und damit die moderne Milchindustrie zu unterstützen. Oder Fleisch obwohl ich genau wusste, wie die Zustände in den Tierfabriken sind. Dann bemerkte ich erst, wie vielseitig das Essen eigentlich sein kann, wenn man selbst kocht, die Stile verschiedener Länder ausprobiert und die vielen Optionen ausnutzt. Und auch, wie groß das Angebot an Obst, Gemüse und anderen veganen Lebensmitteln eigentlich ist. Wie viel Abwechslung man einzig allein in regionalen und saisonalen Sorten finden kann. Also gerade die bewusste Entscheidung, auf nicht vegane Lebensmittel zu verzichten, war für mich persönlich eine extreme Bereicherung und eine riesige Chance. Eine Chance, nicht mehr am Tierleid Mitschuld zu sein und eine Chance, mehr auf meine Gesundheit zu achten. Veganismus ist keine neu-moderne Luxuserscheinung! Man könnte vielleicht glauben, dass es sich bei der veganen Lebensweise um eine Luxuserscheinung oder um einen Trend unserer modernen Zeit und Überflussgesellschaft handelt, dem ist allerdings nicht so. Auch unsere Vorfahren haben viel vegan gegessen, das war alleine schon notwendig, weil Fleisch und tierische Produkte generell, Luxusgüter waren. Man konnte nicht einfach in den Supermarkt gehen und Fleisch kaufen. Wenn jemand überhaupt selber Tiere zu Hause gehalten und geschlachtet hat, geschah das nur zu ganz besonderen Anlässen. Den Großteil der Zeit wurde hauptsächlich saisonales Gemüse, Obst und Getreide gegessen. Im Zuge unseres Projekts in Armenien bekam der Tierschutzverein Robin Hood von unserem Projektpartner vor Ort ein altes armenisches Kochbuch. Die Rezepte, die darin vorkommen, haben wir übersetzt und nach gekocht, auch da bestätigte sich das gerade Genannte sehr schnell, nur sehr wenige Rezepte beinhalteten Produkte tierischen Ursprungs, und das waren dann Festtagesrezepte wie zum Beispiel für Ostern oder Hochzeiten. Ansonsten wurde das verwendet, was man saisonal und regional wachsend gefunden hat – viel Salat, frisches Obst und Gemüse, Pilze, Bulgur und Linsen. Dass wahrscheinlich nicht jede Person zu 100% vegan werden wird, ist klar, wieso allerdings eine Rückkehr zu viel weniger Fleischkonsum gut wäre, können hoffentlich auch die folgenden Statistiken aufzeigen. Statistiken zum Fleischkonsum und der Fleischproduktion Ich möchte hier auf ein paar Statistiken der letzten Jahre eingehen, die zeigen, welche absurden Ausmaße der Fleischkonsum weltweit angenommen hat. In den letzten 20 Jahren hat sich der weltweite Fleischkonsum verdoppelt, in den letzten 50 Jahren vervierfacht. Alleine im Jahr 2018 waren es 360 Millionen Tonnen Fleisch! Laut der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) rechnet man bis zum Jahre 2050 mit einer weiteren Verdoppelung. In Deutschland wurden im Jahr 2016 3,6 Millionen Rinder, 18,6 Millionen Enten, 37,4 Millionen Puten, 59,4 Millionen Schweine und 632,8 Millionen Hühner geschlachtet, um Fleisch zu produzieren. Das sind fast 752 Millionen Lebewesen pro Jahr, über 2 Millionen pro Tag. 2020 waren es sogar noch mehr, 759 Millionen. Weltweit spricht man davon, dass jährlich über 70 Milliarden Landtiere und über 1 Billion Meerestiere für den Verzehr geschlachtet werden. Natürlich sind das nur Schätzungen, alleine die Größenordnung bereitet mir aber Magenschmerzen. Bitte nimm dir kurz Zeit und lass dir diese Mengen durch den Kopf gehen. Ich finde es unvorstellbar. Zur Veranschaulichung hier eine Website, die zeigt, welche und wie viele Tiere seit deinem Öffnen der Seite weltweit für den menschlichen Verzehr getötet wurden: Live Zähler: Wie viele Tiere werden pro Sekunde getötet? Weltweit sind China, Australien und Amerika die Höchstverbraucher, bei Letzteren liegt der Durchschnitt bei über 100 kg Fleisch pro Kopf pro Jahr. Generell essen Männer viel mehr Fleisch als Frauen – in Deutschland etwa doppelt so viel. In Österreich leben laut einer Schätzung der VGÖ im Jahre 2021 840000 Vegetarier (circa 9,34%) und 106000 Veganer (circa 1,18%). Im Jahr 2020 wurden in Österreich insgesamt 539369 Tonnen Fleisch gegessen, der durchschnittliche Österreicher aß somit circa 60,5 Kilogramm Fleisch jährlich, das sind 0,2 kg pro Tag und Person. Am liebsten wird Schwein gegessen, der pro Kopf Verzehr ist hier mehr als dreimal so hoch wie bei Geflügel. In Gesprächen höre ich oft, dass falls Fleisch gekauft wird, natürlich nur regionales Biofleisch gekauft wird – die Statistik zeigt hier aber anderes – der Bio-Anteil des verkauften Fleisches liegt bei nur 6,2%. Doch auch wenn der Anteil an Biofleisch höher wäre, die Tiere landen dennoch in modernen Schlachthöfen und durchleben ein unbeschreibliches Ausmaß an Qualen bis sie dort angelangen. Eine Statistik aus Deutschland zeigt, dass der Fleischkonsum dort in den letzten Jahren abgenommen hat. 1991 war der jährliche Fleischgesamtverbrauch pro Person bei 63,9 kg pro Jahr, fiel bis 2018 leicht auf 61,1 kg und seitdem auf zuletzt 55 kg pro Person 2021. Man sieht also grundsätzlich, dass der Fleischkonsum in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein bisschen zurückgeht, allerdings immer noch sehr hoch ist. Dafür steigt er weltweit gesehen immer noch an, wenn auch nicht mehr so rapide. In westlichen Ländern sinkt der Verbrauch aufgrund einer Vielzahl von aufkommenden Bedenken, während der Konsum in Entwicklungsländern noch steigt. Was sind diese Bedenken? Bei den Hauptbedenken handelt es sich um Ethik, Umweltschutz, die Ernährung der gesamten Weltbevölkerung und die persönliche Gesundheit. Folgend möchte ich auf diese 4 kurz eingehen. Reicht ein vegetarischer Lebensstil nicht aus? Man könnte denken, dass aus rein ethischer Sicht, ein vegetarischer Lebensstil genügt, um die modernen Tierfabriken nicht zu unterstützen. Leider ist es so, dass auch für alle anderen tierischen Produkte abgesehen vom Fleisch selbst, sehr viel Tierleid anfällt. Als Beispiel, die Produktion von Milchprodukten und Eiern: Milchkühe und Legehennen werden geschlachtet, sobald ihre Milch- bzw. Legeleistung abnimmt, das geschieht oft schon nach knapp einem Jahr oder zumindest nach einigen wenigen. Kühe müssen immer wieder befruchtet werden, um überhaupt durchgehend Milch geben zu können. Denn auch wie bei uns, geben sie nur nach der Schwangerschaft für ihre Jungen Milch. Männliche Kälber werden geschlachtet, da sie in diesen Fabriken nicht brauchbar sind, den weiblichen steht dasselbe Schicksal wie ihren Müttern bevor. Auch den Küken der Legehennen geht es nicht besser, männliche Küken wurden nach dem Schlüpfen aussortiert und geschreddert oder vergast. Sie werden oft nicht einmal 24 Stunden alt. Das Schreddern männlicher Küken wurde Anfang 2022 in Deutschland verboten, ist in vielen anderen Ländern aber noch Gang und gäbe. Doch auch das Verbot des Schredderns ist nur in geringen Teilen eine Besserung, in gewisser Hinsicht zwingt es die Tiere in noch längere Qual. Die Legehennen, die für die Eierproduktion verwendet werden, sind andere als solche, die als Masthühner gehalten werden. Sie wachsen weniger schnell und schmecken anders, somit sind sie als Masthähne nicht oder nur wenig geeignet. Es gibt keine konkreten rechtlichen Vorgaben für diese Mast, das führt dazu, dass sie sehr lange Tiertransporte in Nachbarstaaten durchleben, unter miserablen Haltungsbedingungen gemästet werden, oder sogar hungern, weil die Mast als nicht profitabel gilt. Auch bei der Tötung gibt es wenige Vorgaben, wodurch diese oft extrem qualvoll ist. Das waren nur zwei sehr kurze Beispiele ohne die meisten der wirklich grausamen Details, es zeigt aber schon, dass auch ein vegetarischer Lebensstil nicht ohne Tierleid möglich ist. Umweltschutz durch vegane Ernährung? Bezüglich des Umweltschutzes und der Ernährung unserer stark steigenden Zahl an Mitmenschen weltweit, möchte ich noch ein paar weitere Statistiken zeigen. Einer deutschen Studie aus dem Jahre 2020 zufolge, erzeugt eine vegane Ernährung rund 40 % weniger Kohlenstoffdioxidemissionen als eine omnivore Ernährungsform, beim Wasserverbrauch wird hier sogar noch viel mehr eingespart. Um 1 kg Rindfleisch zu bekommen, braucht man über 10000 Liter Wasser. Zum Vergleich – ein mitteleuropäischer Mensch trinkt durchschnittlich pro Jahr 830 Liter Wasser. Für 1 kg Fleisch wird also mehr als das Zehnfache des normalen Jahresverbrauchs an Trinkwasser einer Person verbraucht. 70% aller landwirtschaftlich genutzten Flächen werden weltweit für die Tierhaltung beansprucht. Hier ist natürlich nicht nur die Fläche gemeint, die die Tiere selbst beanspruchen, sondern auch jene für den Anbau der Futtermittel. Um 1 kg Fleisch auf den Teller zu bekommen, braucht man zum Beispiel bei Hühnern bis zu 3,3 kg Futter, bei Kühen sogar bis zu 25 kg. Der Großteil dieser Futtermittel ist im Süden angebautes und zu uns importiertes, gentechnisch behandeltes Soja. Wie wird das ganze Soja verwendet? Man hört oft, dass für die vegane Ernährung so viel Soja angebaut wird und das extrem umweltschädlich ist. Es ist richtig, dass riesige Flächen Regenwaldgebiet für den Anbau von Soja abgeholzt werden, allerdings werden ca. 80% – 90% davon als Schrot für Tierfutter verwendet, der Rest teilt sich auf weitere Punkte wie Treibstoff & Soja Produkte für den menschlichen Verzehr auf. Übrigens, das Soja für den menschlichen Verzehr in Österreich wird allerdings aus gentechnikfreien Sojabohnen hergestellt und wird somit üblicherweise aus österreichischen oder europäischen Sojabohnen gewonnen. Woher kommt es überhaupt? Generell wird das meiste Soja aber in Nord- und Südamerika angebaut, nur rund 0,4% der weltweiten Sojafläche befindet sich in der EU. Brasilien war 2019 mit 47,5% Anteil am gesamten Sojaexport das wichtigste Ausfuhrland, gefolgt von den USA (34%), Argentinien (6,3%) und Paraguay (2,9%). Da auch bei uns Sojaschrot wichtiges Futtermittel ist und wir jährlich 500000 – 600000 Tonnen überwiegend gentechnisch verändertes Soja importieren, sind wir somit direkt an der Abholzung der Regenwaldgebiete Südamerikas beteiligt. Wenn man all das bedenkt, ist deutlich sichtbar, dass ein Rückgang im Fleischkonsum und somit eine Reduktion des Soja als Futtermittel ein wichtiger nächster Schritt für den Umweltschutz ist. So viel Soja – doch die Welt hungert Laut der Welthungerhilfe leiden 822 Millionen Menschen an Hunger, knapp 2 Milliarden an Mangelernährung. Wichtige Anbauflächen auf denen Nahrungsmittel für diese Personen angebaut werden könnten, werden stattdessen für Futtermittel verwendet. Auf dem 4,2 m² großen Ackerland, auf dem derzeit Soja für 1 kg Hühnerfleisch angebaut wird, könnten im Vergleich 8,5 kg Kartoffeln angebaut werden. Es wird sehr schnell klar, dass die Ernährung der gesamten Weltbevölkerung mit dem derzeitigen Überkonsum an Fleisch nicht möglich sein wird. Die riesigen Anbauflächen müssen besser genutzt werden. Auch aus diesem Grund ist die vegane Ernährung eine sinnvolle Alternative. Persönliche Gesundheit Eine vegetarische und vegane Ernährung kann Studien zufolge für ein geringeres Risiko bei den sogenannten „Volkskrankheiten“ führen. Zu diesen gehören unter anderem Typ 2 Diabetes, Herzkrankheiten und Übergewicht. Bei Veganern sind weiters die Cholesterinwerte im Blut oft deutlich besser, sowie auch der BMI häufiger im Normalbereich liegt. Durch diese Faktoren sinkt das Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen wie Bluthochdruck, Schlaganfällen und Herzinfarkten. Grund hierfür ist aber wahrscheinlich nicht nur die vegane Ernährungsweise, sondern auch das damit oft verbundene Interesse an der eigenen Fitness und des Wohlergehens des Körpers. Außerdem besteht bei einem hohen Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch laut WHO ein erhöhtes Krebsrisiko. Vegan ist aber nicht automatisch gesund! Dass eine vegane Ernährung nicht automatisch gesund sein muss, sollte klar sein. Es kommt auch hier stark auf eine ausgewogene Ernährung an. Seit den letzten Jahren gibt es immer mehr stark verarbeitete vegane Ersatzprodukte in den Supermärkten. Diese können manchmal eine super Abwechslung sein oder als Erinnerung an so manch frühere Fleischspeise dienen, sollten aber natürlich nicht täglich zu sich genommen werden. Die darin enthaltenen künstlichen Zusatzstoffe sind auch in vielen „konventionell“ verarbeiteten Lebensmittel enthalten, sie sind also nicht nur ein Problem der veganen Ernährung, sondern treten generell bei stark verarbeiteten Fertigprodukten auf. Am besten ist natürlich eine ausgewogene Ernährung aus frisch zubereiteten lokalen Lebensmitteln, ohne E-Nummern, Haltbartskeitsmitteln und Farbstoffen. Dafür mit der richtigen Menge an Fetten, Proteinen und Kohlenhydraten. Ein falsches Bild Vielleicht hast du ja schon einmal in einem Restaurant bei Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten eine vegane Speise gekostet und warst enttäuscht und hast dadurch ein verfälschtes Bild der veganen Küche bekommen. Selbst als langjähriger Veganer bin ich leider immer noch oft erstaunt, wie schlecht manche ansonsten angeblich sehr gute Köche vegane Speisen zubereiten. Ich denke, das liegt einerseits an fehlender Erfahrung, aber auch an dem fehlenden Interesse daran, wie man diese Speisen ordentlich zubereiten könnte. Denn der Großteil der Gäste bestellt schließlich immer noch „klassische“ Gerichte mit tierischen Inhaltsstoffen. Wenn man es bisher gewohnt war, nur mit Salz und Pfeffer zu würzen, wird man in der veganen Küche noch viele großartige Gewürze kennen und lieben lernen dürfen. Der Schritt vom Fleischtiger zum Veganer mag vielleicht auf den ersten Blick unmöglich und abschreckend wirken, ich hoffe aber, dass dieser Blogartikel einige der vielen wichtigen Faktoren bei der Entscheidung angesprochen hat und auch gezeigt hat, dass eine große Chance im Verzicht liegt und man dadurch sehr viel gewinnen und einen positiven Beitrag auf die Tiere, die Umwelt und auch sich selbst haben kann. Ein veganer Tag pro Woche Für viele wäre vielleicht die Art wie ich umgestiegen bin, also von einem Tag auf den anderen, zu schnell, deswegen würde ich vorschlagen, einfach mal einen fixen veganen Tag pro Woche einzuplanen, es auszuprobieren und zu schauen, wie man sich dabei fühlt. Und vielleicht probiert man nach ein paar Testtagen mal eine Woche durchgehend. Du wirst sehen, es ist bei weitem nicht so schwierig wie es klingen mag! Um bei der Umstellung helfen zu können und weil wir finden, dass es sich hierbei um ein extrem wichtiges Thema handelt, werden wir auch in Zukunft ähnliche Blogartikel schreiben. Außerdem wollen wir Tipps & Tricks mit auf den Weg geben und aufzeigen, dass veganes Essen sehr wohl ausgezeichnet schmecken kann und nicht unbedingt ein stundenlanges In-der-Küche-stehen voraussetzt. Falls du jetzt schon Lust bekommen hast, einfach neugierig bist, was man alles so vegan kochen kann oder im nächsten Schritt schon Inspirationen für den ersten bewusst veganen Tag suchst, schau doch gerne Mal auf unserer Website bei den Rezepten rein, sie sind alle 100%schmackhaft und vegan! Zu finden hier: https://robinhood-tierschutz.at/rezepte/ Ich hoffe dieser Artikel hat Dir gefallen, viel Spaß und hoffentlich bis bald! Jakob
Einige der verwendet Quellen und generell interessante Links zum Weiterlesen: https://eatsmarter.de/ernaehrung/gesund-ernaehren/was-ist-nicht-vegan https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/nagellack_30122102-30166268.html https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_meat_consumption https://www.global2000.at/fleischkonsum-oesterreich https://de.statista.com/ (Nach den gewünschten Statistiken kann in der Suchleiste gesucht werden) https://www.regenwald-schuetzen.org/verbrauchertipps/soja-und-fleischkonsum https://www.nahgenuss.at/blog/soja-tierfutter/#:~:text=Die%20weltweite%20Verwendung%20von%20Soja,wie%20Tofu%20oder%20Sojamilch%20verarbeitet.
Artikel zuerst veröffentlicht auf dem Blog der Tierschutzorganisation Robin Hood.Foto von Marion Löcker Foto von Marion Löcker Foto von Marion Löcker -
Naturkatastrophe Harvester
(von Hubert)
Sie verwandeln blühende Wälder in Mondlandschaften und radieren in Sekundenbruchteilen aus, was hunderte Jahre lang gewachsen ist. Ihr gigantisches Zerstörungswerk, für das früher dutzende Forstarbeiter wochenlang schuften mussten, schafft jetzt ein einziger Fahrer an einem Nachmittag, ohne aus seiner Kabine auszusteigen.
Und es handelt sich um eine nachhaltige Zerstörung, denn auch wenn von den Schlägerungsfirmen selbst in Auftrag gegebene Studien etwas anderes behaupten, ist es evident, dass Wald und Waldboden durch die schweren Kettenfahrzeuge auf lange Zeit hinaus geschädigt werden.
Als Motiv für den massiven Kahlschlag (der erst ab 2 ha im Stück als solcher bezeichnet wird), wird vor allem die Borkenkäfer-Invasion herangezogen.
Wenn man mit den Harvesterfahrern selbst spricht, wird aber schnell klar, dass es weniger um den Käfer als um die Kohle geht. Seit beschlossen wurde, dass rund um einen befallenen Baum die gesunden Bäume ebenfalls gefällt werden, und fast nur noch gesundes Holz einen Abnehmer findet, hat die Waldzerstörung stark zugenommen. Doch diese Regelung ist nicht nachvollziehbar, denn was sollte einen Borkenkäfer, der sich über riesige Strecken ausbreitet, daran hindern, statt zur nächsten halt zur übernächsten Fichte zu fliegen?
„Selbst das Fällen der Fichten hilft oftmals nicht gegen den Schädling – und kann dem Wald sogar noch schaden. Denn auch tote Fichten brächten Schatten und damit Kühlung (…). Sind die Bäume bereits abgestorben, habe der Borkenkäfer sie ohnehin längst verlassen.“[2]
Die gesetzten Maßnahmen sind also kontraproduktiv und führen nur dazu, dass die Wälder stärker austrocknen und dadurch noch anfälliger für weiteren Käferbefall werden. Denn Borkenkäfer sind sogenannte Folgeschädlinge und können nur solchen Bäumen etwas anhaben, die bereits geschädigt sind – oft ausgerechnet durch Maßnahmen, die sie angeblich retten sollen.
„Ist das Kronendach erst einmal geöffnet, fällt immer mehr Sonnenlicht auf den Boden. Der Wald wird heiß und anfälliger für Windbruch und Krankheiten. In den Fichten stockt durch die Trockenheit der Harzfluss, der normalerweise die Borkenkäfer abwehrt.“[3]
Für sogenanntes Schadholz bekommt der Waldbesitzer eben nicht genügend Geld, für einen gesunden Baum um etwa 50 Euro mehr. Eigentlich ist das noch immer unfassbar viel zu wenig für die unbezahlbare Leistung, die ein Baum erbringt. Ein Baum zeichnet sich nicht nur durch seine majestätische Schönheit aus, Wald ist die Lunge dieses Planeten. Eine einzige der heute geschmähten Fichten schafft den täglichen Sauerstoffbedarf für 35 Menschen, während nachhaltigere Sorten noch wesentlich größere Leistungen erbringen. Doch unsere Spezies ist dafür weder dankbar noch erleichtert, wie gut die Natur für uns sorgt, sondern scheint im Gegenteil ein massives Interesse daran zu haben, diese lebenserhaltenden Funktionen zu beenden.
„Denn Wälder sind weit mehr als eine Ansammlung von Bäumen. Sie bestimmen, wie viel Wasser eine Landschaft halten kann. Sie beeinflussen das Mikroklima, können jedoch auch weit darüber hinaus wirkmächtig sein, das Wetter und selbst die großklimatischen Verhältnisse beeinflussen. Kurz: sie sind die natürliche Klimaanlage, die die Menschheit jetzt so dringend braucht.“[4]
Das oft verwendete Sprichwort, dass jemand „am Ast sägt, auf dem er sitzt“, kann bei Baumfällungen also durchaus wörtlich genommen werden.
Sind aber Harvester nicht schrecklich praktisch?
Ein Harvester wiegt 16-25 Tonnen und überlastet die Erde, über die er fährt. Die Spuren eines Harvester-Einsatzes lassen sich noch viele Jahre später nachweisen, etwa daran, dass so gut wie alle Bäume links und rechts von der Fahrspur verletzt werden. Durch diese Verletzungen kommt es zum Pilzbefall der Bäume, der dann den Stamm hinauf wandert und zum Tod der Pflanze führt.
Wenn sich die schweren Monstermaschinen durch den Wald fräsen, kommt es zu einem massiven Bodendruck, der nur durch bereits vorher gefällte Bäume gemindert wird. Der Boden wird dabei „biologisch verdichtet“ und schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die alte Weisheit, dass sich in einer Handvoll Waldboden mehr Mikroorganismen finden als es Menschen auf dem Planeten gibt, stimmt dann plötzlich nicht mehr. Durch die Verdichtung werden Luft und Wasser daran gehindert, in den Boden zu dringen. Da die Erde sich auch noch lange Zeit nach dem Harvestereinsatz nicht erholen kann, ist nur noch eine geringe Ableitung in den Boden möglich, wodurch wertvoller Dünger entzogen wird, was wiederum zu einer veränderten Bakterien-Zusammensetzung führt. Durch die Verringerung der Mikroorganismen, die für die Zersetzung von Blättern, Ästen oder Wurzelwerk verantwortlich sind, kann der CO2 Speicher Wald seinen ursprünglichen Aufgaben nicht mehr nachkommen. Mikroflora- und Fauna werden also nachhaltig gestört.
Wie sich Mikro- und Makrokosmos gegenseitig bedingen, kann nirgends so gut beobachtet werden wie im Wald. Da die Wälder außerdem von Geäst und dem sogenannten Restholz – das für Pellets oder Hackschnitzel verwertet wird – gesäubert werden, findet der natürliche Verrottungsprozess nicht mehr im erforderlichen Ausmaß statt. Eine naturnahe Waldwirtschaft ist mit Harvestern eigentlich nicht mehr möglich.
Harvester sind aber auch Teil einer technischen Rationalisierung und ändern die Methoden der bisherigen Waldbewirtschaftung. Auch aus arbeitsrechtlicher Sicht ist der Harvestereinsatz bedenklich: Durch den Einsatz der Maschinen findet schließlich auch ein massiver Personalabbau statt. Harvester werden als sicherer, billiger und vor allem wegen seiner rasanten Geschwindigkeit als effektiver betrachtet, vor allem, wenn es darum geht, Schadholz aus dem Wald zu entfernen, bevor noch mehr Bäume befallen werden. So argumentiert die konventionelle Forstwirtschaft: Ohne Harvester würde der Borkenkäferbefall zunehmen, weil die traditionellen Methoden in unseren beschleunigten Zeiten viel zu langsam arbeiten würden. Vor allem aus materieller Sicht, bei der ein Baum kein Baum und kein Wald noch ein Wald ist, sondern es nur noch um Festmeter geht, scheinen die Vorteile dieser ökologischen Katastrophe zu überwiegen. Allerdings nur auf kurze Sicht, denn es ist klar, dass die bisherige Bewirtschaftung des Waldes seit Jahrtausenden auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit beruht.
Der Wald wird heute nur mehr als Rohstofflieferant und Wirtschaftsfaktor betrachtet. Für die Waldbesitzer ist es vergleichsweise billig, nur einen Fahrer zu bezahlen als die Belegschaft, aber wer längerfristig denkt, entdeckt doch mehr Schaden als Nutzen. Der Förster und mittlerweile bekannte Autor Peter Wohlleben, dessen Buch „Das geheime Leben der Bäume“ mittlerweile verfilmt wurde, sagt dazu, dass der Wald ein langsames Ökosystem sei, das „eigentlich gar keine Geschwindigkeit verträgt“.[5] Auch das Argument, dass es keine Waldarbeiter mehr geben würde, die bereit seien, den Wald traditionell zu bewirtschaften, vernachlässigen den Umstand, dass die Bereitschaft zur nachhaltigen Waldpflege meistens an der miesen Bezahlung scheitert, nicht an der Ablehnung der körperlichen Arbeit.
Aber wie ist das jetzt mit der Gefahr des Borkenkäfers?
Borkenkäfer sind meistens nur wenige Millimeter groß und von den etwa 300 verschiedenen Arten in Europa ist es nur etwa ein Dutzend, das die Probleme in den Wäldern verursacht. Dass sie das tun, hängt aber nicht mit den ursprünglichen Funktion dieser Tiere zusammen, sie sind nicht einfach „Schädlinge“, sondern erfüllen unter natürlichen Bedingungen wertvolle Aufgaben für den Wald, etwa bei der Zersetzung von Totholz. Aber die Bedingungen sind nicht natürlich und dafür sind eigentlich nicht die Käfer, sondern wieder einmal der selbsternannte Homo sapiens und nicht zuletzt seine Wirtschaftsmethoden verantwortlich. Sie
„… befallen bevorzugt geschwächte Nadelbäume, bohren sich in die saftige Rindenschicht und legen dort ihre Brutgänge an. Die Fraßschäden unterbrechen den Nährstofftransport von der Krone in die Wurzeln und lassen die Bäume bei starkem Befall schließlich absterben.“ (Bethge u.a. 2019, S. 14)
Gegen die Käfer gibt es eine Vielzahl von natürlichen Feinden, vom Specht über verschiedene Fliegen- und Milbenarten oder der Schlupfwespe bis hin zu Pilzen und Viren. Mit dem Totholz werden aber leider auch viele dieser natürlichen Feinde aus dem Wald entfernt, während die Borkenkäfer selbst oft schon ausgeflogen sind.[6]
Borkenkäfer sind im toten Baum nicht mehr zu finden, sondern befinden sich bereits in einem anderen Nadelbaum, wo es noch etwas zum Fressen gibt. Deswegen wäre es besser, nicht alle Bäume zu entfernen, die einmal befallen wurden, denn selbst abgestorbene Fichten spenden noch Schatten und wirken damit der gefährlichen Trockenheit entgegen. Und selbst Totholz beherbergt nicht nur Nützlinge aller Art, sondern hilft auch noch als Dünger für den Waldboden.
Sonstige Alternativen zum Harvester:
Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass Monokulturen durch einen Mischwald ersetzt werden sollen. Der Mischwald kann besser mit den klimatischen Bedingungen umgehen und sich auch besser gegen die Angriffe von Pflanzenschädlingen zur Wehr setzen.
„Je größer, gemischter und natürlicher der Wald, desto positiver sind die Effekte auf Wasserhaushalt, Temperatur und Klima.“[7]
Auch auf den traditionellen Einsatz von Zugpferden wird wieder vermehrt zurückgegriffen, um Wald und Boden zu schonen. Wer längerfristig und nachhaltig denkt, wird die Vorteile dieser zwar arbeitsintensiven und langsameren, aber über Jahrhunderte bewährten Methode vorziehen, die sich mit der Natur im Einklang und nicht im Krieg befindet.
Wenn schon Harvester zum Einsatz kommen, dann sollten wenigstens die umweltfreundlicheren Varianten dieser Monster gewählt werden: Es gibt Schreit-Harvester, die sich auf 6 Füßen statt auf Kettenrädern fortbewegen und sich nicht so tief eingraben, daher auch weniger dauerhaften Schaden hinterlassen. Und es gibt die Seilkrananlage bzw. eine „mobile Seilbahn“, die auf einem Stützwagen hinaufmontiert wird. Mit Hilfe eines Lauf- oder Tragwagens und über Seilwinden wird das geschlägerte Holz abtransportiert, ohne den Boden und den anderen Baumbestand zu beschädigen. Generell kann diese Winde dazu beitragen, den Bodendruck zu verringern. Das hilft auch dabei, in steilem oder unwegsamem Gelände Holzarbeiten durchzuführen.
Eine weitere Möglichkeit der Bekämpfung sind Pheromonfallen, die Käfer anlocken und einfangen. Es handelt sich um Schlitzfallen, die in einiger Entfernung zum Baumbestand aufgestellt werden. Die Landwirtschaftskammer Oberösterreich (LKOÖ) findet Borkenkäferfallen aber uneffektiv. Sie empfiehlt solche Fallen nur zur Kontrolle, um den Flugverlauf und die Menge der Borkenkäfer feststellen zu können, nicht zur Bekämpfung.[8] Die möchte die Landwirtschaftskammer lieber den Forstwirten überlassen, die sie ja auch vertritt, da Land- und Forstwirtschaft natürlich miteinander verflochten sind. Aber was ist dran an den Argumenten der Kammer?
Es stimmt, dass mit den Fallen auch Nützlinge gefangen werden. Konsequente Tierschützer, die sich nicht nur um kuschelige Haustiere sorgen, finden den Einsatz auch grausam, da die Käfer relativ grausam verenden. Allerdings empfiehlt die Kammer auch den Einsatz von Insektiziden, was ja wohl nicht nur die Nützlinge, sondern auch die gesamte Umwelt ungleich stärker belastet als die Pheromonfallen. Ihre Sorge wirkt daher nicht ganz glaubwürdig.
Ein anderes Argument der Kammer, dass ja nur 30% der Käfer gefangen würden, ist nicht nachvollziehbar, denn das hört sich eigentlich ziemlich effektiv an, wenn damit auch 30% mehr Bäume gerettet werden können. Das wäre tatsächlich viel, entgeht dann aber den Forstunternehmen. Immerhin werden nach Information der LKOÖ pro Woche zwischen fünf- und fünfzehntausend Käfer gefangen. Nach unterschiedlichen Angaben sollte der Abstand der Fallen zum nächsten Baum 10-25 m betragen, um nicht Käfer anzulocken, die sich dann statt in die Falle auf die nächste Fichte setzen. Eine Baumlänge Abstand sollte es mindestens sein.
Eine viel tierfreundlichere Methode, um den Borkenkäferbefall zu reduzieren, sind Fangbäume. Man legt dabei im Frühling den Käfern gesunde Bäume zum Brüten vor und bringt dann die Bäume aus dem Wald, bevor bei den „Bruten“ das Jungkäferstadium eintritt.
Vorläufiges Fazit
Wenn das Thema Harvester erwähnt wird, wird sein Einsatz meistens mit dem Problem der „Borkenkäfer-Invasion“ legitimiert. Dabei handelt es sich aber längst nicht um die einzige Bedrohung des Waldes und Harvester werden schließlich noch für ganz andere Zwecke eingesetzt, wobei sie in aller Regel völlig gesunde Bäume massakrieren. Und es gibt viele Gründe, warum auf ihren Einsatz verzichtet werden sollte.
Häufig ist zu hören, dass es in Österreich ohnehin keine wirkliche Gefahr für den Wald gibt, der im Gegenteil ständig wachsen und einen Großteil des Landes „überwuchern“ würde. Das entspricht aber nicht der verbreiteten Wahrnehmung, dass immer mehr Wälder den Harvestern zum Fraß vorgeworfen werden. Im Gegenteil verändert sich in vielen Regionen durch Kahlschlag und Rodungen die Landschaft. So gibt es die berechtigte Sorge, ob man das Waldviertel in zehn Jahren auch noch so nennen wird, wenn weiterhin so viel Natur zerstört wird.
Aber vielleicht ist ja eine quantitative Zählweise für die Ansicht verantwortlich, dass in Österreich der Wald ganz rasant zunehmen würde. Aber hat sich der Wald wirklich verdoppelt, wenn statt einem jahrzehnte- oder jahrhundertealten stattlichen Baum zwei neue Topfpflanzen gesetzt werden, die locker auf einem einzigen Ästchen des gefällten Baums Platz gefunden hätten?
Viele haben resigniert und den Kampf gegen die umweltzerstörenden Monstermaschinen aufgegeben, da ihr Anblick so alltäglich geworden ist. Doch die Forderung, dass Harvester-Einsätze auf absolute Notfälle beschränkt werden und nicht zum Mainstream verkommen sollten, ist heute aktueller denn je und das ist unsere letzte Chance. Ansonsten produzieren die Verantwortlichen mit ihrem ganzen Gequatsche übers Klima oder Nachhaltigkeit wirklich nur noch heiße Luft – und die fördert bekanntlich die gefährliche Erderwärmung.
Literatur:
Bethge, Philip/ Glüsing, Jens/ Jung, Alexander/ Pieper, Milena/ Traufetter, Gerald (31.08.2022): Walduntergang. in Der Spiegel Nr. 36, Spiegel-Verlag, Hamburg, 10-19
Redaktion Forst/ Oberösterreichische Landwirtschaftskammer (11.07.2019): Borkenkäferfalle nicht zur Bekämpfung empfohlen
https://ooe.lko.at/borkenk%C3%A4ferfalle-nicht-zur-bek%C3%A4mpfung-empfohlen+2400+2954634
Schwenk, Daniel (2015): Harvester: Wald unter Druck Sendetermin,So., 12.07.09 Das ErsteAutor: Daniel Schwenk (BR):
Wermelinger, Beat/ Schneider Mathis, Doris (April 2021): Natürliche Feinde von Borkenkäfern, Merkblatt für die Praxis 67, Birmensdorf-Schweiz, online: http://www.wsl.ch/publikationen
[1] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Harvester_John_Deere_1270E-20200927-RM-171509.jpg
[2] (Bethge u.a. 2019, S. 14)
[3] (Bethge u.a. 2019, S. 14)
[4] (Bethge u.a. 2019, S. 15)
[5] Schwenk, Daniel (2015): Harvester: Wald unter Druck Sendetermin: So., 12.07.09 Das Erste Autor: Daniel Schwenk (BR): https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2009/harvester-wald-unter-druck-100.html
Das geheime Leben der Bäume – Peter Wohlleben, https://www.youtube.com/watch?v=TXqcpkjAE4E
[6](Wermelinger, Schneider 2021)
[7] (Bethge u.a. 2019, S. 15)
[8] https://ooe.lko.at/borkenk%C3%A4ferfalle-nicht-zur-bek%C3%A4mpfung-empfohlen+2400+2954634
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Die größten Bullshit-Jobs Teil 1: Regierungssprecher in der Bundespressekonferenz:
1 Fast unendliche 11 Jahre lang kam Merkels Sprecher Seibert mit dem einen Satz durch, weshalb außer dem masochistischen Vertreter von RT und der Praktikantin aus dem Kanzleramt keiner mehr zur Pressekonferenz erschien. Dann überraschte er knapp vor seinem Abschied und auf der Suche nach einem neuen Job mit einem zweiten: „Alles was es zu dem Thema zu sagen gibt, habe ich bereits (nicht) gesagt.“ Die Weiterbildungskurse des Arbeitsamts und die philosophischen Seminare über den Sinn der eigenen Existenz hatten sich also doch gelohnt. Seither reißen sich die Talkshows um ihn.
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Die sogenannten Nutztiere im Blackout
von Marion
Angst und Sorge um einen möglichen Blackout stehen im Raum und sind alles andere als ein Hirngespinst. Viele bereiten sich bereits darauf vor, private Not, wirtschaftliche Ausfälle werden diskutiert.
Kaum jemand denkt aber an die Tiere in den Intensivtierhaltungen.
Um es deutlich zu machen, allein in Österreich „leben“ 2,8 Millionen Schweine, 11,2 Millionen Masthühner (meist 20000-25000 pro Betrieb), 6,9 Millionen Legehühner und 2 Millionen Rinder.
Der Ausfall der automatischen Fütterungs- und Lüftungsanlagen führt in kürzester Zeit zu einem qualvollen Tod. Sogenannte Notschlachtungen sind anhand der riesigen Anzahl der Tiere unmöglich, es gibt dann weder Transportmöglichkeiten, noch funktionieren die Schlachthöfe.
Sie alle im Falle eines Blackouts zu retten, ist unmöglich. Wer soll 10 000 Masthühner in einer einzigen Halle versorgen, retten, töten?
Tierische Leichenberge werden sich auftürmen und ein zeitnaher Abtransport wird unmöglich sein, die Folge ist die Entstehung von Seuchen.
Hier kleine Rettungsaktionen zu veranstalten, mag für die kleinstrukturierte Landwirtschaft eine anfängliche Hilfe sein, über kurz oder lang wird auch da das Halten der Tiere unmöglich werden, gerade wenn der Kreislauf der Fütterung, der Schlachtung und Vermarktung zusammenbricht.
Es mag hart klingen, aber für die betroffenen Tiere ist es wohl besser, rascher zu sterben als sehr lange dahin zu vegetieren mit dem sowieso vorgezeichneten Tod zur Produktion von Lebensmitteln im Normalfall (ohne Blackout).
Der einzige Ausweg für uns alle und für unseren Planeten ist eine biovegane, regionale, solidarische Landwirtschaft. Nur damit können alle Menschen dieser Erde ernährt werden, wird das Klima wieder positiv beeinflusst, wird Tierleid vermieden. Wenngleich es nicht jeder hören möchte, einzig der Verzicht von jeglichen tierischen Produkten bringt eine nachhaltige Lösung für uns alle.
Nicht zu vergessen, dass es einem Menschen in diesem Jahrhundert einfach nichtmehr würdig ist mit all seiner Empathie, seinem Wissen und Erfahrung, immer noch fühlende Mitlebewesen auszubeuten und zu töten.
Nicht selten kommt das seltsame Argument aus dem Munde mancher, die es nicht wahrhaben möchten: „Aber die Tiere wollen doch leben, wenn wir sie nicht nutzen, dann gibt es sie nicht mehr!“ Richtig. Und würden wir sie fragen, ob sie leben möchten, um ausgebeutet und getötet zu werden oder gar nicht erst geboren zu werden, wie würde wohl ihre Antwort lauten?
Tiere sollen leben, aber mit uns, in Frieden, als unsere Gefährten oder in freier Natur unabhängig von uns, aber keinesfalls eingesperrt, geknechtet und dem Tode durch unsere Hand geweiht.
Stellen wir uns daher jetzt schon um, wir alle, die wir bereits alternative Gedanken hegen. Widmen wir uns den Tieren in der Natur und unseren tierischen Mitgefährten, aber vermeiden wir jeglichen Konsum tierischer Produkte. Jetzt – denn wir haben keine Zeit mehr.
Übrigens: Jeden Tag spart eine Person, die sich vegan ernährt, hochgerechnet 4.164 Liter Wasser, 18 kg Getreide, 3 m² Waldfläche, 9 kg CO2 und ein Tierleben.2
3 1 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Blackout_2009_-_panoramio.jpg
2 vgl. https://vegan.rocks/de/app/calculator/
3 [[File:20200309 Night sky.jpg|20200309_Night_sky]]
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Schweineleben
von Marion
Meist stehen sie allein, buchstäblich auf weiter Flur. Langgestreckte Gebäude mit kleinen Fenstern, grau in grau. Angsteinflößend. Nähert man sich, riecht man den Geruch der Fäkalien, über dem die Schweine ihr Leben lang stehen. Man hört das monotone Brummen der Lüftung, ab und zu ein fernes Grunzen als kleines Lebenszeichen an einem Ort des Grauens.
Dunkelhaft, verklebte Fenster, Mutterschweine verbringen ihr armseliges Leben in engen Abferkelgittern. Tote Ferkel. Dreck und Elend überall.
Sie stehen in Kulturlandschaften, wo jedes Beikraut ein Feind ist, Kukuruz ist das einzig Wahre. Und dient ihnen als Futter in ihrem täglichen, maschinell verabreichten Einheitsbrei.
Sie haben keine Abwechslung, starren jahrelang, eingesperrt im sogenannten Kastenstand an die Wand…kommen nur raus, um im Abferkelgitter ihre Jungen zu säugen. Von versorgen kann man nicht sprechen, denn die Mutterschweine können in diesem Gitterkäfig nicht einmal ein Fliege von ihrem Rücken verscheuchen, geschweige denn ihre Kinder versorgen, so wie es sich eine Mutter wünschen würde. Zum Schutz der Ferkel wohlgemerkt, denn das Eisengefängnis nennt sich liebevoll Ferkelschutzkorb.
Diese bedauernswerten weiblichen Schweine werden künstlich befruchtet (eigentlich vergewaltigt), werden hormonell so getrimmt, dass sie alle zur selben Zeit ihre Jungen bekommen und zwar möglichst viele, oft mehr als sie Zitzen haben. Laut Gesetz müßten sie eine Zeit in der Gruppe verbringen, wo sie zumindest etwas Bewegung haben. Aber selbst das wird ihnen oft verwehrt, eigentlich nicht legal, aber die Kontrolltierärzte müssten ihre eigene Kundschaft vor dem Kadi zerren und wer macht das schon…
Die Ferkel werden nicht selten zu früh der Mutter entrissen, sind oft viel zu leicht und zu schwach, um in den Großgruppen an Futter zu gelangen, egal, sie werden einfach aussortiert, Ausschussware.
Den sogenannten Mastschweinen geht es nicht besser…auch sie stehen auf Vollspaltenböden über ihren eigenen Exkrementen, ihr Leben lang.
Abwechslung gibt es nicht. Schweine sind intelligenter als Hunde sagt man… das sogenannte Beschäftigungsmaterial ist gesetzlich vorgeschrieben, besteht aber oft aus einer Eisenkette, die von der Kette baumelt oder einem abgenagten Holzstück, das am Gitter befestigt ist.
Das Schlimmste für diese intelligenten Tiere ist die Langeweile…niemals die Sonne sehen, sich den Wind um die Ohren wehen lassen, im Schlamm suhlen, laufen, spielen oder mit den Artgenossen zu kuscheln. Schweine sind sehr saubere Tiere, bauen Nester für ihre Jungen, haben eine Schlafecke, eine Kotecke…all das wird ihnen in den Tierfabriken verwehrt.
Warum das Ganze? Weil Schnitzel, Schweinsbraten, Wurst – des Österreichers liebste Speisen sind.
Obwohl Klimaforscher aufzeigen, dass Fleischkonsum am meisten verantwortlich ist für die Klimakatastrophe, geht der Fleischkonsum fast ungebrochen weiter.
Politiker und Landwirte leugnen, dass es in Österreich Tierfabriken gibt. Für sie zählt als Tierfabrik, wo mehrere tausend Tiere „leben“ oder besser vegetieren, denn von einem Leben, wie es sich ein Schwein vorstellt, kann keine Rede sein, weder hier, noch dort – in den Ländern mit den „echten“ Tierfabriken wie Belgien, Niederlande, USA. Für das einzelne Schwein macht es doch keinen Unterschied, ob neben ihm noch 300 andere Schweine leiden, 50 oder 1000 oder 5000.
Doch auch wir haben Betriebe mit mehreren tausend Tieren. Ab wie vielen Tieren ist es eine Tierfabrik eine Tierfabrik?
Zahlen und Fakten
Jährlich werden in Österreich rund 5,5 Millionen Schweine geschlachtet. Fast alle dieser Schweine mussten ihr ganzes Leben ohne jegliche Einstreu auskommen. Über 99% der Schweine kommen bei ihrer Fahrt zum Schlachthof das erste und einzige Mal ins Freie.
Mastschweine
Der Großteil der österreichischen Mastschweine fristet sein trostloses Leben auf Vollspaltenböden, ohne die Möglichkeit, angenehm zu liegen und ohne jegliche Einstreu. Laut österreichischem Gesetz muss den Schweinen allerdings Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestellt werden.
Im Alter von nur wenigen Tagen werden die männlichen Ferkel praktisch immer vom Landwirt selbst ohne Betäubung kastriert. Sie erleiden dabei unvorstellbare Qualen, schreien und zucken. Noch eine Woche später haben sie Schmerzen. Das zeigen Verhaltensstörungen oder Wachstumsdepressionen. Ebenso dürfen den Ferkeln bis zum 7. Lebenstag ohne Betäubung die Zähne und Schwänze gekürzt werden, wenn das zur Vermeidung von Verletzungen als notwendig erachtet wird. Denn in ihrer Verzweiflung beginnen sie oft damit, sich gegenseitig zu verstümmeln und aufzufressen. Dabei sind Schweine eigentlich besonders neugierige, soziale und überaus intelligente Wesen, die ihren Lebensbereich gerne sauber halten. Aber in den Bedingungen der modernen Intensivtierhaltung können sie keine ihrer natürlichen Verhaltensweisen ausleben. Eng zusammengepfercht in trostlose Buchten liegen sie permanent im eigenen Kot auf kaltem Spaltenboden. Im Alter von nur sechs Monaten werden sie nach ihrem kurzen schrecklichen Leben schließlich geschlachtet.
Zuchtschweinehaltung
Kastenstände sind nach wie vor die traurige Realität für österreichische Zuchtsauen. Das sind Metallgitter, in denen die Tiere eingesperrt werden, ohne auch nur einen Schritt gehen zu können. Ebenso ist es bei Abferkelbuchten mit Abferkelgittern. Über 99% der weiblichen Zuchtschweine müssen ihre Kinder in einem Abferkelgitter gebären, das ihnen weder einen Schritt zu gehen, noch sich umzudrehen, erlaubt.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Bis zum 7. Lebenstag dürfen Ferkel ohne Betäubung und Schmerzmittelgabe vom Landwirt selbst kastriert werden. Der Eingriff muss nicht von einem Tierarzt durchgeführt werden. Das gleiche gilt für das Schleifen der Zähne und das Kupieren des Schwanzes.
Derzeit ist es erlaubt, Schweine auf Vollspaltenböden zu halten, ohne die Möglichkeit für die Tiere, bequem zu liegen und ohne jegliche Einstreu.
Ab 2033 wird es in Österreich ein komplettes Kastenstandverbot geben, auch in der Abferkelbucht mit Ausnahme von einigen Tagen nach der Geburt. Ab 2019 sind Neubauten mit fixem Abferkelgitter verboten. Bereits 2013 in Kraft getreten ist eine Reduktion der Zeit, die die Zuchtsauen während der Befruchtung und Schwangerschaft im Kastenstand verbringen, auf zehn Tage. Davon ausgenommen sind Betriebe, die dafür umbauen müssen. Eine generelle Ausnahme aller obigen Regelungen gilt für Betriebe mit zehn Muttertieren oder weniger.
Mehr als 60 % der über 2,7 Millionen Schweine Österreichs leben ohne Einstreu, wie z.B. Stroh. Die Dauerhaltung auf harten Betonspalten bereiten diesen intelligenten, von Natur aus sauberen Tieren, große Schmerzen. Sie müssen lebenslang über ihren eigenem Kot und Urin leben – essen, schlafen. Eine Einstreu durch Stroh würde die Spalten verkleben und wird daher nicht gemacht.
Was macht das mit den Schweinen?
-92 % haben entzündete Gelenke
+Die Todesrate ist 3 x so hoch wie bei Haltung mit Stroh
+Die Augen und Lungen sind durch den starken Ammoniakgehalt in der Luft (durch die Ausscheidungen) entzündet
+Langeweile, einer der schlimmsten Feinde der Schweine: Die Tiere beißen sich gegenseitig in die Schwänze.
Die Lösung, die den Schweinen zumindest ein etwas besseres Leben bereiten würde: Ein befestigter Liegebereich ohne Spalten, der tief mit Stroh oder anderem organischen Material eingestreut ist. Das würde nicht nur glücklichere, sondern nachweislich gesündere Tiere zur Folge haben, die auch untereinander weniger aggressiv sind.
Die Verhandlungen zwischen den Regierungsparteien zum Vollspaltenboden in der Schweinehaltung ziehen sich in die Länge. Ein Entwurf liegt auf dem Tisch, der in Essenz diese Haltungsform für alle Schweinebetriebe bis 2040 verbieten soll. Obwohl diese Frist ja schon viel zu lange ist, besteht die ÖVP um Landwirtschaftsministerin Köstinger darauf, dass das Datum offenbleiben soll. Österreich hat ein gutes Tierschutzgesetz. Am Papier. Der Vollzug ist mangelhaft, die Kontrollen sind mangelhaft. In den Tierfabriken ändert sich nichts.
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Interview mit Franz Sölkner
Der Prozess
- nicht von Kafka, obwohl der möglicherweise davon inspiriert worden wäre
Im letzten Sommer führten wir das Interview mit Franz Sölkner, der vom Bauernbund geklagt worden war, weil er im Impressum eines Plakats der IST (Initiative SteirerInnen gegen Tierfabriken) stand: auf diesem Plakat wurde kein Geringerer als Gott gebeten, uns vor giftspritzenden Bauern zu schützen: das bedeutete unserer Einschätzung nach aus mindestens zwei Gründen für den „ÖVP-nahen“ Bauernbund einen unverzeihlichen Affront: erstens ohne message control die Wahrheit über Pestizid- Herbizid- und Fungizideinsatz in der heimischen konventionellen Landwirtschaft zu schreiben; und zweitens dafür auch noch Gott zu bemühen, obwohl der doch bisher eher von der christlich-sozial-klerikalen Reichshälfte in Beschlag genommen wird – also auch noch ein blasphemischer Akt. Geklagt wurde er aber wegen Ruf- und Geschäftsschädigung. Franz kam vor Gericht und wurde in erster Instanz verurteilt, wogegen er Berufung einlegte.
Im späten Herbst gab es schließlich so etwas wie ein Happy End. Wir bringen euch zuerst das aufschlussreiche Interview mit Franz und im Anschluss die Aussendung der IST nach seinem letztendlichen Freispruch. Ein Lehrbeispiel, das zeigt, dass ziviler Ungehorsam manchmal eben doch etwas gegen den Moloch ausrichten kann.
Interview mit Franz Sölkner
Beginnen wir vielleicht mit einer Vorstellung deiner Person. Und sag bitte auch, wieso setzt du dich für eine ökologische Landwirtschaft ein?
Ich bin 1950 geboren, komme aus einer obersteirischen bergbäuerlichen Großfamilie. Ich habe später in Graz Geschichte und Biologie studiert. In den 1970er Jahren bin ich auf das ökologisch vernetzte Denken gestoßen. Seither habe ich mich mit ökologischen Fragen beschäftigt, nämlich um den Gesamtzusammenhang zwischen Mensch und Natur. Ich bin auch sehr stark in Friedensfragen engagiert. Seit 2015 beschäftigt mich auch das das Thema Migration. Mit Familienanschluss integriert meine Familie mit guten Erfolgen einige Afghanen und Syrer. Und ich war viele Jahre lang politisch als grüner Gemeinderat in Thal bei Graz aktiv, insgesamt 21 Jahre lang.
Für ökologische Landwirtschaft setze ich mich ein, weil ich erkannt habe, dass das eine Sackgasse ist. Gerade bei der Ernährung als wesentlichem Teil des menschlichen Lebens und Grundlage unserer Gesundheit kann es auf Dauer nicht so weitergehen kann, wenn wir die Böden kaputt machen, unsere Grundwasserreservoirs mit Gülle aus großen Schweineställen belasten, usw. Ein anderes bedrohliches Zeichen an der Wand ist der fortschreitende Biodiversitätsverlust. Z.B. werden durch das frühe Mähen mit großen Maschinen alle Vogelarten vernichtet, die in der Wiese brüten. Eine weitere Folge der agrarindustriellen Wirtschaftsweise mit Monokulturen und dem Einsatz synthetischer Agrarchemikalien ist der Verlust von Insekten, darunter die Bienen und die liebenswerte Art der Schmetterlinge. Eine Studie aus Deutschland hat festgestellt, dass in den letzten Jahrzehnten bis zu 75% der Insekten verschwunden sind. Ältere Menschen wie ich brauchen so eine Studie gar nicht, weil dieser Rückgang zu ihrer unmittelbaren Lebenserfahrung gehört. Wenn man in den 1970er Jahren am Land mit dem Auto fuhr, fuhr man oft durch große Mückenschwärme. Das gibt es heute nicht mehr. Als Folge davon gibt es etwa in der Südsteiermark einige Vogelarten, die in den letzten 30 Jahren fast oder völlig verschwunden sind, u.a. die sogenannten Großinsektenjäger wie Rötelfalke, Schleiereule, Schwarzstirnwürger und Steinkauz. Wie oft hört man heute noch einen Kuckuck? All das hat wieder unmittelbar nachteilige Rückwirkungen auf die Pflanzenwelt, weil diese Insekten und die Vögel als Bestäuber und Samenüberträger ausfallen. Bei verschiedenen Nutzpflanzenkulturen, etwa im Obstbau, hat das auch nachteilige betriebs- und volkswirtschaftliche Folgen. Längerfristig droht ein Zustand wie wir ihn schon aus Fernsehbildern aus China kennen, wo man die Obstbäume wieder per Hand bestäuben muss.
Zusammengefasst habe ich die ökologische Entwicklung zunehmend als sehr gefährliche Entwicklung wahrgenommen. Ich habe Kinder und Enkelkinder, aber auch, wenn ich keine hätte, steht man in der Verantwortung für zukünftige Generationen. Und deshalb habe ich mich immer mit ökologischen Fragen und auch mit der Landwirtschaft beschäftigt.
Diese Plakataktion war ja von der IST initiiert. Kannst du erklären, wer oder was ist die IST und wofür steht sie?
IST ist das Kürzel für „Initiative SteirerInnen gegen Tierfabriken“. Und das ist recht interessant: die ist vor 9 Jahren Leibnitz gegründet worden. Gegründet wurde die IST von UmwohnerInnen großer Hühner- und Schweinemaststallungen aus dem Raum der Süd-, Ost- und Weststeiermark. Deren Hauptproblem war der oft unerträgliche Gestank. Der Tierschutz war auch ein Thema, aber im Wesentlichen ging es den Leuten zuerst um diese Geruchsbelästigung. Und irgendwann haben sie sich über den Verein gegen Tierfabriken/VGT auch an mich gewandt und gefragt, ob ich diese Initiative in der Südsteiermark nicht koordinieren möchte, weil ich einige politische Erfahrung habe mit der Organisation von Bürgerinitiativen und NGOs. Dazu war ich bereit, ursprünglich wollte ich es aber nur ein paar Jahre machen, bin dann aber beim Thema hängengeblieben. Und das Interessante bei der Entwicklung der IST ist, dass man sehr schnell registrierte, dass man das Problem nicht allein an der Geruchsbelästigung festmachen kann und es sich nicht nur um ein Wohnproblem gehandelt hat, sondern dass es sich bei der industriellen Intensiv-Massentierhaltung um eine sehr komplexe ökologische Problematik handelt.
Normalerweise ist es so, dass es schwierig ist, jemandem zu erklären, was Ökologie ist, da kommt man schnell ins Stottern. Aber wenn du es am Beispiel Tierfabriken erklärst, kannst du sehr gut darstellen, was da alles hineinspielt. Also, das endet nicht beim Tierleid und bei den Problemen der Umwohner bezüglich Gestank und Lärm, sondern es betrifft auch den Boden, das Grundwasser, die Artenvielfalt, die Auswirkungen des so erzeugten Fleisches auf unsere Gesundheit, den Tierfutter-Importen von genmanipuliertem Soja aus Lateinamerika und der Zerstörung des Regenwaldes bis hin zur Unmöglichkeit, mit dieser Art Landwirtschaft eine globale Ernährungsgerechtigkeit sicherzustellen. Nehmen wir das Beispiel des Zusammenhangs von Boden und Grundwasser: Ohne Rücksicht auf seine langfristige Regenerationsfähigkeit wird aus dem Boden alles herausgewirtschaftet, damit man diese großen Herden versorgen kann. Es ist ja so: früher hatte ein Bauer so viele Tiere wie er Grund gehabt hat. Er hat sie vielleicht schlecht gefüttert und die Tiere waren mager, aber immerhin: da waren Grenzen gesetzt. Und heute gibt es zwei Entgrenzungen: zum einen, dass eben alles aus dem Boden herausgeholt wird mit den Methoden der modernen Landwirtschaft. Also mit Chemieeinsatz und Maschinen und Monokulturen. Und sie importieren große Mengen an Tierfutter, damit sie diese großen Herden halten können. Dadurch werden aber große ökologische Folgeprobleme geschaffen. Nehmen wir das Problem großer Schweinehaltungen: Hier fallen riesige Güllemengen an. Und diese müssen sie irgendwie entsorgen. Entsorgen ist ein zu nettes Wort, weil es nicht wirklich eine Entsorgung ist, sondern nur für den, der es schnell loswerden will. Aber er hat die Flächen nicht mehr zum Ausbringen, denn das ist ja geregelt. Gülle enthält viel Stickstoff und darf daher abhängig von der Art der angebauten Kulturen nur in einer bestimmte Menge je Hektar ausgebracht werden und das nur zu bestimmten Zeiten. Im Winter darf man gar nichts ausbringen, weil es da ja keinen Pflanzenwuchs gibt, der den Stickstoff aufnehmen könnte. Und deshalb werden riesige Güllelager gebaut, das geht bis zu 7000m³, wo sie über den Winter die Gülle sammeln. Im Frühjahr dürfen sie wieder ausbringen, aber da haben sie das Problem: sie bringen es oft auf Schotter in Schwemmlandgebieten auf, wo unterhalb große Grundwasserkörper drinnen sind. Und weil sie nicht genug Flächen haben, pachten sie noch Flächen dazu. D.h. der Bauer muss entweder nachweisen, dass er genug Eigenflächen hat oder dass er Güllepachtflächen hat, wo er ausbringen darf. Diese Flächen sind sehr begehrt und man kriegt sie oft nicht in Hofnähe. Dorthin zu fahren kostet Zeit und da denkt er sich, was soll ich da hin- und herpendeln mit meinem Güllefass? Deshalb wird oft hofnah überdüngt, was er nicht dürfte. Die Folge ist aber, dass die Pflanzen diese Menge nicht mehr aufnehmen können und das sickert durch ins Grundwasser. Das ist so weit gegangen, dass in der Steiermark bestimmte Grundwasserreservoirs und Brunnen nicht mehr für genießbares Wasser tauglich waren. Wir haben zum Beispiel eine Gemeinde in der Südsteiermark, die Gemeinde Murfeld, da haben Mütter, die Babys bekommen haben, Reinwasser in Flaschen zur Verfügung gestellt bekommen, weil das Wasser für die Babynahrung nicht mehr geeignet war. Die Gefahr lag im hohen Nitratwert, der den sogenannten plötzlichen Kindstod auslösen kann. Um dem abzuhelfen, ist man hergegangen und hat mit öffentlichen Mitteln große Ringwasserleitungen gebaut. Man hat also unbelastete Wasserreservoirs angezapft und sie Grundwasserwerken zugeleitet, um dort das Wasser so zu mischen, damit der Nitratwert unter dem gesetzlich erlaubten Schwellenwert von 45 mg/l geblieben ist.
Aber das waren natürlich riesige öffentliche Investitionen, die in keiner betriebswirtschaftlichen Kalkulation der Landwirte Einfluss gefunden haben. Das haben die SteuerzahlerInnen gezahlt. Ich wollte mit dem Beispiel nur aufzeigen, wie stark vernetzt das alles ist und wie man ein Problem, das man verursacht hat, mit einem anderen Problem lösen muss. In diesem Fall mit den Ringwasserleitungen.
Die Schädigung des Bodens durch die industrielle Wirtschaftsweise erfolgt auch in Form der Bodenverdichtung durch den Einsatz schwerer Traktoren und Erntemaschinen und die Ausbringung von Pestiziden. Die Bodenverdichtung schädigt die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens und ist so ein Mitverursacher von Hochwasserkatastrophen. Neben der maschinellen Bodenverdichtung wird die Mikrobiologie des Bodens durch Chemieeinsatz (vor allem durch Pestizide!) und Gülleüberdüngung geschädigt. Am Beispiel der Regenwürmer: Sie sind für die nachhaltige Bodenfruchtbarkeit wichtige Bodenbearbeiter. Aber im Vergleich zu biobäuerlich bewirtschafteten Ackerböden, die je m² mehrere hundert Regenwürmer enthalten können, finden sich in agrarindustriell genutzten Boden oft nur zwei oder drei Dutzend. Damit verzichtet die moderne konventionelle Landwirtschaft auf eine ungeheure, von diesen Bodenbaumeistern gratis erbrachte Arbeitsleistung.
Aber das geht natürlich viel weiter: Wir essen alle viel zu viel Fleisch. Wir wissen, das ist nicht gesund. Es gibt Studien über verschiedene Krankheitsbilder, die aufzeigen, dass sie deutlich mit dem Fleischüberkonsum zusammenhängen. Und wir verhindern eine globale Ernährungsgerechtigkeit, indem wir riesige Mengen an Lebensmitteln als Futtermittel importieren, wie Soja aus Lateinamerika, und über das Tier verwerten. Und wir wissen, dass wir – je nach Tierart – vom Dreifachen bis zum Zehnfachen mehr Menschen ernähren könnten, wenn wir das nicht über die tierische Ernährung durchführen würden.
Mir fällt zur Gülle ad hoc ein, dass ich mir immer einbilde, dass mein Duschwasser nach Gülle riecht.
In deiner Gegend im Waldviertel kann das durchaus sein.
Allerdings werden immer die Messwerte veröffentlicht, wo dann die Nitratwerte weit unter dem erlaubten Richtwert liegen. Ich weiß nicht recht, ob ich darauf vertrauen kann.
Die Messwerte werden schon stimmen. Aber dazu muss man auch wissen, es hat gegen Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre bezüglich der Nitratgrenzwerte einen heftigen Streit gegeben zwischen der Landwirtschaft einerseits und den NGOs und den UmweltmedizinerInnen auf der anderen Seite. Letztere wollten einen generellen Trinkwasser-Grenzwert von 25 mg. Für Kleinkinder wurde eine Nitratobergrenze von 15 mg je Liter Wasser gefordert. Und damals war schon klar, dass die Politik das nicht mehr verordnen kann, weil es nicht mehr durchsetzbar war. Geeinigt hat man sich damals als realpolitischem Kompromiss auf 45 mg/l. Also, du siehst sehr schön an diesem kleinen Beispiel, wie diese Art Landwirtschaft eine Situation herbeigeführt hat, wo dann das, was die Umweltmedizin wollte, politisch gar nicht mehr bewältigbar war. Und diese 45 mg sind heute auch kein Grenzwert, sondern ein Richtwert. Den halten sie aber heute schon ein, vor allem, es wird strenger kontrolliert, das ist schon klar. Obwohl die Behörden viel zu wenig Personalkapazität haben, um diese Güllewirtschaft wirklich kontrollieren zu können.
Gibt es Alternativen zu dieser umweltschädlichen Landwirtschaft?
Natürlich gibt es die. Jahrhundertelang haben wir diese Alternative gelebt, das war einfach die kleinräumige naturnahe Landwirtschaft mit einem hohen Arbeitskrafteinsatz. Und das wäre auch die Alternative: wieder zurück zu einer biologischen, kleinräumig und regional vernetzten Landwirtschaft, wo man nicht mehr die Fläche, sondern wieder die Arbeitskraft fördert. Weil eine naturnahe Landwirtschaft, eine nicht-chemisierte biologische Landwirtschaft natürlich viel mehr Arbeitskapazitäten erfordert. Deshalb gehört das ganze Fördersystem der EU und auch das nationale Fördersystem radikal umgemodelt in Richtung Arbeitsplatzförderung.
Es gibt dazu einige wichtige Begriffe: „Biologische Landwirtschaft“ ist heute ein allgemein geläufiger Begriff. Ein anderer noch wenig bekannter ist die „Solidarische Landwirtschaft“, wo man versucht, Erzeuger- und Verbraucherkollektive zu gründen, in denen die KonsumentInnen einen engen Kontakt zu den ProduzentInnen haben und auch bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen oder z.T. auch am Hof mitzuarbeiten. Der Konsument ist natürlich ein ganz wichtiger Faktor in diesem Kontext. Über die Handelsketten wird natürlich ein unglaublicher Preisdruck erzeugt und da muss man schon sagen: Die Bauern sind natürlich selbst auch Opfer dieser Entwicklung, das ist gar keine Frage. Aber wenn es so eng geworden ist für die Bauern mit den Preismargen, dann ist diese Situation ja nicht vom Himmel gefallen, sondern sie wurde durch eine falsche Politik herbeigeführt oder wurde durch ein ständiges Zurückweichen vor den agrarkapitalistischen Interessen zumindest zugelassen. Freilich muss man hier die etablierten bäuerlichen Lobbys selbst in Verantwortung nehmen. Es ist auch wesentlich ihre Aufgabe, Druck ausüben, damit die Politik sie auch wieder von dort herausführt, wo sie sie hineingeführt hat. Nur sind in diese Richtung der ÖVP-Bauernbund und die von ihm dominierten Landwirtschaftskammern keine guten Wegweiser. Sie verteidigen die herkömmlichen Strukturen, wie auch an meinem Prozess zu beobachten ist.
Wer denkst du, profitiert von der Landwirtschaft, die Pestizide einsetzt und andere schädliche Produkte auf unsere Felder sprüht? Die Bauern, die diese Gifte einsetzten, ja wohl zumindest langfristig weniger, oder?
Also die Landwirte die das einsetzen, profitieren im vorgegebenen Rahmen kurzfristig schon davon und die großen mehr als die kleinen.
Ich bin ja selbst ein Bergbauernbub und kann mich erinnern, dass in den 1960er Jahren oder noch in den 1950er Jahren, als ich aufgewachsen bin, ein Bauer mit 12 Rindern überleben konnte, vielleicht noch mit etwas Wald dabei. Davon kann heute keine Rede mehr sein und dahinter steht ein System, das auf „Wachsen oder Weichen“ beruht. Die jeweils kleineren Bauern stehen vor der Wahl, aufzuhören und ihren Grund an einen größeren Nachbarbetrieb zu verpachten oder gar an einen großen zu verkaufen, oder aber selbst zu wachsen, Gründe anzupachten oder anzukaufen, für eine größere Herde einen größeren modernen Stall zu bauen und sich dabei stark zu verschulden. Dann überleben eben nur noch wenige, nur der jeweils größere, gerade noch profitable Hof. Nach dem 2. Weltkrieg hatten wir noch 25% bäuerliche Bevölkerung, und heute liegt die Zahl bei ca. 4%.
Und wenn wir jetzt zur Frage zurückkommen: Ja, sie können kurzfristig gewinnen, aber langfristig sind sie natürlich die Verlierer. Es wird z.B. immer mehr Reparaturindustrie für die Böden brauchen. Es gibt ja Ökologen, die sagen, es wird maximal noch 60 Ernten geben, dann sind die Böden so ruiniert, dass man keine vernünftige Ernte mehr herausbringt, weil man mehr hineininvestieren muss, als dabei herauskommt. Die großen Profiteure sind momentan: die chemische Industrie, der Großhandel, natürlich auch so ein Konzern wie der Raiffeisenkonzern, der sowohl von der Kreditgeberseite her als auch von der ganzen Vermarktungsseite her profitiert. Und im Hintergrund steht eben der sogenannte Agrarkapitalismus. Eine strukturelle Schiene, die darauf ausgerichtet ist, immer effizienter, d.h. auch mit immer größeren Betriebseinheiten und immer weniger Arbeitskräften zu produzieren und dafür immer mehr Profit zu erwirtschaften. Und da gibt es eine interessante Geschichte, den sogenannten Mansholt-Plan. Sicco Mansholt war ein niederländischer sozialdemokratischer Politiker. Er war Agrarkommissar der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft / EWG, also noch vor der Entwicklung zur EG und EU, Agrarkommissar. Er war selber Bauer und hat aber sozialdemokratisch gedacht. Er wollte, dass die Agrarsubventionen stark gekürzt und gleichzeitig die Bevölkerung mit billigen Nahrungsmitteln versorgt werden kann. Sein Vorbild war die US-Landwirtschaft, die damals schon in einem hohen Ausmaß rationalisiert und spezialisiert war und mit Monokulturen gearbeitet hat. Und er wollte dieses Modell einer betriebswirtschaftlich sehr effizienten Landwirtschaft nach Europa transferieren. Dafür hat er 1968 seinen Mansholt-Plan vorgelegt. Und das ist jetzt interessant: dieser Plan wurde abgelehnt, er ist politisch gescheitert. Aber faktisch ist die Entwicklung ziemlich genau in diese Richtung gegangen. D.h. die Politik hat das abgelehnt, aber trotzdem hat sich die gesellschaftliche Substruktur der Landwirtschaft so entwickelt; weil eben dieser Druck des Agrarkapitalismus in Richtung „Wachsen oder Weichen“ wie auf Schienen gefahren ist und so unerbittlich gewirkt hat, dass genau diese Entwicklung eingetreten ist, vor deren Ergebnis wir heute stehen.
Das ist übrigens ein geschichtsphilosophisches Lehrstück. Der bedeutende, 1920 verstorbene Soziologe Max Weber hat die These vertreten, dass in der Geschichte die von den Regierungsprogrammen nicht berücksichtigten Triebkräfte häufig wirkmächtiger waren als die von der Politik bewusst angepeilten Ziele.
Du hast es schon angeschnitten: Was bedeutet die konventionelle Landwirtschaft für so genannte Nutztiere – und warum sollte sich der Mensch schon aus Eigeninteresse Gedanken über deren Wohlergehen machen?
Man könnte jetzt ethisch oder psychologisch beginnen. Es gibt bekanntlich dieses Zitat von Tolstoi: „Solange es Schlachthäuser gibt, wird es auch Schlachtfelder geben.“ Also er war ja dann auch selber konsequent und hat sich geweigert, Fleisch zu essen. Er hat also den ethischen Zusammenhang gesehen zwischen einer besonders aggressiven menschlichen Verhaltensweise, die also auch im Krieg bereit ist, die Drecksarbeit zu machen, und dem Umgang mit den Tieren, wie er vor allem in den Schlachthäusern erfolgt. Das wäre so das grundsätzliche philosophisch-ethnische. Aber dann ist es auch so: es geht in der Massentierhaltung um Säugetiere und das sind unsere engen Verwandten. Die haben ein Nervensystem wie wir, die sind leidfähig. Und da ich selber von einem Bauernhof komme, weiß ich, dass Tiere so etwas wie ein „Gmiat“ oder eine Seele haben und sie uns Menschen-Säugetieren deshalb sehr nahestehen. Vier Jahr lang habe ich jetzt als „Holta“ auf einer steirischen Alm auf Tiere aufgepasst, auf 40 Rinder – und ich habe dieses Wissen aus meiner Kindheit wieder bestätigt gefunden. Aber dann gehen wir mit diesen Tieren um, wie es einfach nicht nur jeder Art des kulturellen Denkens, sondern auch unserer angeblichen Zivilisiertheit spottet. Es beginnt damit, dass wir sie auf ihren reinen Gebrauchswert reduzieren, was sich schon im Begriff der „Nutztiere“ ausdrückt. Wir pferchen sie während ihres kurzen Lebens in Stallungen und unterwerfen sie Qualzuchten und Turbomasten. Nur als Beispiel: Bei den Hühnern ist die gesetzliche Mindestanforderung, dass jedes Huhn den durchschnittlichen Platz eines DIN A4-Blattes zur Verfügung haben muss. Und jedem schlachtreifen 110 kg Mastschwein muss im Stall die Mindestfläche von 0,7 m² zur Verfügung stehen. Sie sind ganzjährig im Stall, sehen kein Tageslicht und was die Schweine betrifft, leben sie auf Vollspaltenböden, d.h. ohne Einstreu auf Betonböden, die kleine, gut 1cm breite Schlitze haben. Der Kot und der Harn fällt nach unten durch – und über den Dämpfen von ihrem eigenen Kot und Harn leben sie. Die Schweine sind aber sehr sensible Tiere und deshalb leiden sie sehr oft unter schweren Krankheiten, wie starke Reizungen der Augen oder der Atemwege. Sie haben so gut wie keine artgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten. Als gesetzliche Mindestbeschäftigungsmöglichkeit muss z.B. etwas vom Plafond des Stalles herunterhängen, damit sie damit herumspielen können, sei es ein Ball oder ein Holzscheit. Und weil sich diese Tiere nicht so bewegen können, wie sie sich in der Natur bewegen würden, sondern dauernd an den anderen anstreifen, gibt es natürlich einen relativ hohen Aggressionspegel bis hin zu Formen des Kannibalismus. Oft beißen sie sich gegenseitig die Ohren und Schwänze an. Damit das nicht passiert, werden ihnen die Schwänze von vornherein weggeschnitten. Es ist also ein völlig kulturloser Umgang, den wir mit diesen Tieren, die in traditionellen bäuerlichen Gesellschaften einmal als Hoftiere den Status von Quasi-Haustieren hatten, pflegen. Und wenn etwa ein südsteirischer Mäster von mehreren hundert Schweinen in einem Fernsehbericht sagt, er habe zu allen seinen Schweinen einen persönlichen Bezug und er sehe beim Betreten des Stalles sofort, wenn es einem seiner Tiere nicht gut gehe, dann bleibt einem bei dieser Verlogenheit natürlich die Luft weg.
Und das wirkt sich langfristig aus: dieses Fleisch, das erzeugt wird, ist natürlich kein Qualitätsfleisch und auch, wenn man jetzt den Zusammenhang mit menschlichen Krankheiten im Sinne von Ursache und Wirkung nicht so stringent nachweisen kann, so ist doch klar, dass von diesen Hochzüchtungen und Turbomasten – in einem dreiviertel Jahr bei den Schweinen oder nach etwa 12 oder 16 Wochen bei den Hühnern – kein gesundes Lebensmittel kommt, weil sich dieses Tier nicht natürlich entwickeln konnte. Und dazu kommt noch der Stress dazu, den die Tiere beim Transport in die Schlachthöfe und dann im Schlachthof selber erleben. Univ. Prof. und Gerichtsmediziner Dr. Martin Grassberger sieht als Auswirkung unserer Art der Lebensmittelproduktion – und ihrem Einfluss auf das Mikrobiom des menschlichen Darms – ganz generell eine der Ursachen für die Zunahme chronischer Krankheiten. Sein Buch „Das leise Sterben. Warum wir eine landwirtschaftliche Revolution brauchen, um eine gesunde Zukunft zu haben“ sollte uns wachrütteln. Vorträge von ihm finden sich auch im Internet.
Kurz: Das ist alles ein System, das langfristig nicht fortgesetzt werden kann. Und wenn der Mensch glaubt, sich ein moralisch-ethisches Wesen nennen zu können, dann hat er diese Fehlentwicklung dringend abzustellen.
Wie kam es jetzt dazu, dass dir der Prozess gemacht wurde, wie lautete die Anklage und wie ist der Prozess verlaufen?
Angefangen hat es damit, dass wir im April 2019 zwei 24 Bogen-Großplakate aufgestellt haben, eines in Leibnitz und eines in Gleisdorf. Darauf war ein großer Traktor zu sehen, der Agrarchemikalien versprüht. Die wesentliche Plakataufschrift lautete „Gott schütze uns vor giftspritzenden Bauern.“
Das wurde natürlich bewusst im Frühjahr gemacht, da klar war, jetzt beginnt wieder die Pestizidspritzerei bei den jungen Kulturen. Und ehrlich gesagt haben wir schon geahnt, dass wir die Agrarlobby damit aufregen werden, wir haben aber nicht damit gerechnet, dass sie klagen. Unsere Intention war eher, dass sie selber das Bewusstsein in den eigenen Reihen verstärken, dass sie so auf Dauer nicht weiterwirtschaften können. Und dass sie selber einen Lobbydruck auf die Politik entwickeln, für eine andere Landwirtschaft, wie es uns ja auch beim EU-Beitritt 1995 versprochen worden ist. Damals hat es ja geheißen: Österreich als der Delikatessenladen Europas und dass eine naturnahe, kleinräumige, kleinstrukturierte Landwirtschaft sichergestellt werden soll.
Genau das ist aber nicht passiert. Es gibt zwar erfreulicherweise auch mehr Biobauern – wir haben jetzt in Österreich annähernd einen Anteil von 24% – aber die große Masse der Bevölkerung wird nach wie vor mit Produkten aus der konventionellen Landwirtschaft versorgt. Wobei unsere Agrarier jetzt sagen: Ja, was wollt ihr? Bei uns gibt es keine industrielle Landwirtschaft. Schaut`s nach Norddeutschland, nach Holland, Spanien, Ungarn, Rumänien oder Dänemark. Dort gibt es noch viel größere Konzentrationen, noch viel größere Tierfabriken. Das ist nicht völlig falsch, gilt aber vor allem für die alpinen Regionen, in denen die Landwirtschaft nicht so großflächig und so industriell betrieben werden kann. Aber tendenziell ist bei uns in den Flachgebieten dieselbe Entwicklung gegeben. Wir haben zum Beispiel in der Steiermark den größten Ferkelproduzenten, das ist die „Gemeinschaftsferkelerzeugung GesmbH und CO KG“ in Hainsdorf bei Leibnitz, die „produzieren“ 60.000 Ferkel im Jahr. Der hat natürlich auch riesige Mengen an Gülle und inseriert dann teilweise, dass sie zur Pacht Gülle-Ausbringungsflächen suchen.
Also, wir wollten diesen Druck einfach verstärken und die Agrarier dazu bringen, dass sie ihre Not stärker artikulieren und auch selber Druck auf die Politik machen. Interessant war auch, der Bauernbund hat mich sofort geklagt, ohne Vorwarnung. Ich habe aus der Zeitung erfahren, dass ich verklagt worden bin. Die Landwirtschaftskammer hat mir nur gedroht und mich per Brief aufgefordert, binnen 14 Tagen das Plakat zu entfernen und die Aussage zu widerrufen. Ich habe dann das Gespräch gesucht mit Landwirtschaftskammerpräsidenten Titschenbacher und habe ihm mitgeteilt, dass ich nicht widerrufen werde. Er hat nur gesagt, er versteht das nicht, hat sich umgedreht und ist weggegangen. Aber die Kammer hat dann nicht geklagt und deshalb nehme ich an, da hat noch etwas anderes eine Rolle gespielt: die Kammer hat ihre Juristen, ich glaube, die haben das so eingeschätzt, dass dieses Verfahren für sie nicht zu gewinnen ist. Ich schätze das selber auch noch immer so ein, dass ich dieses Verfahren gewinnen werde. Das Klagemotiv beim Bauernbund dürfte etwas anders liegen. Unsere Plakataktion fand ja im Vorfeld der EU-Wahl statt und die steirische VP hat damals eine Bauernbündlerin als Spitzenkandidatin gehabt, Simone Schmidbauer, die inzwischen für die ÖVP im EU-Parlament sitzt.
Und ich glaube, die haben so kalkuliert: das nutzen wir jetzt, um unsere Klientel für die EU-Wahl zu mobilisieren und zu sagen: Schaut`s, so übel spielt man uns mit. Also geht`s zur Wahl und wählt`s unsere Kandidatin! Und jetzt wäre das ja auch gar keine unclevere Wahltaktik, und ich hab ja, da ich selber lange Zeit politisch tätig war, für wahltaktische Manöver durchaus Verständnis über. Was ich allerdings schon keck finde, ist die Annahme, dass der Bauernbund der Meinung ist, ich soll ihm seine Wahlwerbung auch noch zahlen. Dass mein Name im Impressum des Plakats stand, wirft übrigens auch ein bezeichnendes Bild auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in der politisch von der ÖVP dominierten Südsteiermark. Ich wohne ja in der Nähe von Graz und ich persönlich hab dieses Problem mit der intensiven Landwirtschaft und der intensiven Massentierhaltung gar nicht unmittelbar. Aber die südsteirischen AktivistInnen der IST haben sich alle nicht getraut, im Impressum zu stehen, weil sie in ihren Gemeinden mit schwarzen Sippschaften und Bürgermeistern einem zu starken sozialen Druck ausgesetzt sind.
In rechtlicher Bewertung fühle ich mich auf sicherem Boden. Es geht um zwei Anklagepunkte. Die erste lautete auf Rufschädigung: Ich hätte „alle steirischen Landwirte diffamiert“ lautete die Formulierung in der Klagsschrift. Aber weil der Plakattext sich ja ausdrücklich nur auf die „giftspritzenden“ Bauern bezog, dürfte hier beim VP-Agrarlandesrat und Bauernbund-Obmann Hans Seitinger und seinen Funktionären wohl ein Mangel an Lesefähigkeit vorliegen. Der zweite Punkt der Klagsschrift wirft mir vor, ich hätte wieder alle steirischen Landwirte in ihrer Kreditfähigkeit und ihrem wirtschaftlichen Fortkommen geschädigt.
Das freilich hätte der Bauernbund natürlich im Verfahren irgendwie nachvollziehbar konkretisieren müssen, was sie aber gar nicht versucht haben. Sie haben nur einen Streitwert von 7000 Euro geltend gemacht, was auch darauf hindeutet, dass sie nicht wirklich damit gerechnet haben, das Verfahren zu gewinnen. Sollte ich das Verfahren verlieren, wäre ich verpflichtet, meinen Widerruf noch einmal auf zwei Großplakaten an gleicher Stelle aufzustellen und kostenpflichtig in der Kleinen Zeitung zu veröffentlichen. Ich bin allerdings guter Dinge, ich glaube, das Verfahren zu gewinnen. Jedenfalls gehen alle JuristInnen, mit denen ich bisher geredet habe, davon aus, dass das für mich negative Urteil des Erstgerichts spätestens beim OGH behoben werden wird.
Falls notwendig, bin ich auch bereit, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg zu gehen. Letztlich geht es ja um das im Art. 10 der EMRK garantierte Menschenrecht der Meinungsfreiheit. Denn wenn es Schule macht, dass Kritik, die an niemand Konkreten adressiert war, auf diese Art mundtot gemacht werden kann, dann können wir Demokratie und Rechtsstaat bald zusperren, dann ist klar, dass wir Meinungsfreiheit in der bisher gekannten Form nicht mehr aufrechterhalten können. Dann ist vor allem der herkömmliche Prozess der Rechtsentwicklung gefährdet. Wie kommt es denn zu Änderungen in unserem Rechtssystem, hier etwa konkret zu einem Verbot von harter Agrarchemie? Indem es Kritik aus der Zivilgesellschaft und organisierten Druck gibt, der dann durch gewählte Organe in Gesetzen und Verordnungen umgesetzt wird. Obwohl in einem solchen politischen Prozess die Gegenseite ohnehin sehr stark ist, weil deren Lobbys ja sehr viel Finanzmacht und Einfluss haben, ist dann aber der Gegendruck aus der Gesellschaft bisweilen doch so stark, dass es zu wünschenswerten gesetzlichen Änderungen kommt. Wenn du das aber öffentlich nicht mehr artikulieren darfst, so wie ich das gemacht habe, weil es per Gerichtsbeschluss untersagt wird, dann wird es auch zu keiner entsprechenden Entwicklung von Gesetzen mehr kommen können. Das wäre dann ein System, dass die alten Griechen Plutokratie genannt haben, die Herrschaft der Reichen.
Vielleicht sagst du noch was zum Prozess selbst. Hattest du den Eindruck eines fairen Verfahrens?
Naja, da gab es zunächst etwas Interessantes im Vorfeld, das würde ich als Justizgroteske bezeichnen. Der Bauernbund hat nämlich die Klage über seinen Anwalt beim falschen Gericht eingebracht. Eineinhalb Jahren ist es zwischen drei Gerichten hin- und hergeschoben worden, nämlich zunächst zum Bezirksgericht Graz-West (wo es eingebracht wurde und das eindeutig unzuständig war, obwohl es die erste Entscheidung getroffen und die geforderte einstweilige Verfügung abgewiesen hat). Das zweite Gericht, wo es hingeschoben worden ist, war das Bezirksgericht Graz-Ost, die wollten das auch nicht annehmen, und dann ist es zwischendurch beim Landesgericht für Zivilgerichtssachen gelandet, das dann sogar schon einen Verhandlungstermin ausgeschrieben hatte, bevor sie dann doch draufgekommen sind, dass sie nicht zuständig sind. So dass es dann wieder beim Bezirksgericht Graz-Ost gelandet ist, wo es tatsächlich von Anfang an hingehört hätte. Über das Warum dieses Hin und Hers kann man verschiedene Vermutungen anstellen: Warum haben sie es beim falschen Gericht eingereicht, warum hat ein Richter das zunächst angenommen und hinsichtlich der vom Bauernbund geforderten einstweilige Verfügung auch sehr rasch eine Entscheidung getroffen? Schließlich ist das, was ein Richter als erstes zu prüfen hat, die Frage der Gerichtszuständigkeit. Denn er will sich ja keine Arbeit antun, die ihm nicht zusteht.
Letztendlich ist es also bei der Richterin Frau Dr. Steininger-Türk am Bezirksgericht Graz-Ost gelandet. Und das ist insofern eine Pikanterie, ich bin leider zu spät draufgekommen und es war mir dann im Nachhinein klar, warum die Verhandlung so verlaufen ist: Frau Dr. Steininger-Türk ist die Ehefrau vom Vorstandsvorsitzenden-Stellvertreter der Hypobank Steiermark. Das war ursprünglich die Landesbank in der Steiermark und ist seit 3 Jahren eine 100%-Tochter der Raiffeisen-Landesbank AG. Man darf da also im Hintergrund schon die Macht des Raiffeisenkonzerns sehen und eine Befangenheit der Vorsitzenden ist da nicht völlig unwahrscheinlich.
Eine zwingende Befangenheit, die Frau Dr. Steininger-Türk selbst erklären und den Vorsitz hätte ablehnen können, lag zweifellos nicht vor. Ich bin aber der Meinung, sie hätte dem Ansehen der Justiz damit einen Dienst erwiesen. Neulich hat der Bundespräsident gesagt, man soll den Institutionen Respekt zollen und eine unabhängige Justiz ist natürlich eine ganz wichtige Institution. Diesen Respekt sicherzustellen ist aber in erster Linie eine Aufgabe der Institution selbst.
Frau Steininger-Türk hat die Ernennung zur Verfahrensführung jedenfalls angenommen und es hat in der Folge zwei Verhandlungen gegeben. Dabei war es für mich in ihrer Mimik und ihrer Gestik auffällig, dass die Richterin gefühlsmäßig wohl auf der Seite der klagenden Partei stand. Als Zeuge war etwa auch der österreichische Bauernbundpräsident Nationalratsabgeordneter Georg Strasser geladen. Sehr suggestiv fragte ihn Frau Steiniger-Türk: „Wie ist denn das, Herr Nationalrat, es kann doch eigentlich auch jede Tablette, die man gegen ein Leiden nimmt, in anderer Hinsicht möglicherweise nachteilig sein und könnte so als Gift bezeichnet werden und es macht ja die Dosis das Gift. Ist es denn überhaupt in diesem Zusammenhang gerechtfertigt, von Gift zu sprechen, bei den Pestiziden und der Agrarchemie?“ Selbstverständlich musste Herr Strasser ihr da zustimmen: „Natürlich ist das nicht gerechtfertigt, und das ist ja alles so streng kontrolliert in Österreich. Und ja, die Dosis macht das Gift.“ Und ich musste innerlich lachen, weil die Frau Dr. Steininger-Türk hat bei seiner Aussage, wo er genau das bestätigt hat, was sie ihm in den Mund gelegt hat, ganz erfreut mit dem Kopf genickt.
Ein anderes Beispiel: Der Ablauf der Einvernahme durch die Vorsitzende ging so vor sich, dass sie einem befragt, man antwortet und sie diktiert die Antwort dann in ihr Diktaphon. Und da war folgende Szene: Vor mir machte der Bauernbunddirektor Franz Donner seine Aussage. Und er hat wörtlich ausgesagt, ich hätte alle Bauern „diffamiert“. Und nachdem ich dran war, hat sie mich gefragt: „Warum haben Sie das gemacht, Herr Sölkner, was haben Sie sich dabei gedacht?“ Dann sagte ich, wir wollten natürlich diese Art der Agrarwirtschaft und Bauern kritisieren und Druck machen, damit es zu einer Agrarwende kommt. Und dann diktiert sie in ihr Diktaphon wörtlich hinein: „Ich wollte die Bauern diffamieren.“ Sie hat also genau diesen Begriff gebraucht, der vorher von Bauernbunddirektor Donner gekommen ist. Natürlich habe ich dann gesagt: „Das können Sie nicht machen. Sie müssen schon hineindiktieren, was ich gesagt habe. Und ich habe sicher nicht das Wort diffamieren verwendet.“ Die Frau Rat hat das dann korrigiert.
Also, das waren jetzt zwei Beispiele. Ich hatte aber auch wissenschaftliche Literatur und etliche seriöse Medienberichte eingebracht, zum Beispiel das Buch von Johann G. Zaller, Ökologe der Bodenkulturuniversität in Wien: „Unser täglich Gift – Pestizide, die unterschätzte Gefahr“. Ein international erfahrener und renommierter Forscher. Oder auch das vorher bereits erwähnte Buch des Wiener Gerichtsmediziners und Biologen Martin Grassberger: „Das leise Sterben“. Und zahlreiche Zeitungsartikel und Dokumentationen von seriösen Sendern. Zum Beispiel „Gefahr aus dem Tierstall“, eine Doku, die zuvor auf Arte ausgestrahlt wurde. Da ist es um den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft gegangen, der zu den Antibiotikaresistenzen auch beim Menschen führt und an denen, weil es keine Medikamente mehr gibt, die gegen diese Krankheiten noch erfolgreich eingesetzt werden können, in Europa jährlich ca. 25.000 Menschen sterben.
Also, ich habe all das eingebracht, aber im Urteil habe ich den Eindruck bekommen, als ob sie das alles nicht interessiert hätte und sie sich das alles überhaupt nicht angeschaut hätte. Jetzt ist es so, dass ich natürlich dagegen berufen habe. Und als nächste Instanz wird ein Dreiersenat am Landesgericht für Zivilrechtssachen das Urteil überprüfen. Das bedeutet drei Richter. Da wird es meiner Einschätzung nach schon unter den Richtern Diskussionen geben, wie hier diese Revision zu beurteilen und welcher Spruch zu fällen sei. Aber auch, wenn ich auf der Grazer Ebene nicht recht bekomme, werde ich mich mit Sicherheit an den Obersten Gerichtshof in Wien wenden und hoffe dann dort, recht zu bekommen und scheue auch nicht vor dem außerordentlichen Rechtsweg nach Straßburg zurück.
Während die Justiz und die Politik wichtige Fristen verpassten und offensichtlich keinen Willen zeigten, das von der Bevölkerung geforderte Glyphosatverbot durchzusetzen, waren sie recht schnell damit, AktivistInnen wie dich zu kriminalisieren und juristisch gegen sie vorzugehen. Wie siehst du das?
Ja, sie waren nicht nur bei mir sehr schnell, es gibt inzwischen mehrere ähnliche Klagen, die in Europa anhängig sind. Das nennt man nach dem englischen Begriff „Slaps“, der englische Begriff für Ohrfeigen. Gemeint sind damit sogenannte Einschüchterungsklagen, die mächtige Interessensgruppen, Industrielle und auch Agrarlobbys anstrengen, um Kritik zu unterdrücken. Da gibt es etwa zwei ähnliche Prozesse, die in Bozen anhängig sind. Einer der Beklagten dort war der Buchautor und Dokumentarfilmemacher Alexander Schiebel, der vom Südtiroler Bauernbund und seinem SVP-Landesrat Schuler vor Gericht gezerrt wurde. Das Buch wie auch der Dokumentarfilm heißen: „Das Wunder von Mals“. Schiebel hat auf den massiven Pestizideinsatz in der Südtiroler Obst- und Apfelwirtschaft hingewiesen, gegen den sich die Bevölkerung der Vintschgauer Gemeinde Mals gewehrt hat. Schiebel ist allerdings vor kurzem freigesprochen worden.
Der zweite Bozener Fall ist die Klage der Südtiroler Tourismuswirtschaft gegen Karl Bär, einen Sprecher des Umweltinstituts in München, eine renommierte Umwelt-NGO. Ihm wirft man vor, er habe die Südtiroler Fremdenverkehrswirtschaft geschädigt, weil er in einer paradoxen Intervention deren Werbung ironisch ins Gegenteil verkehrt und für einen einen Besuch in „Pestizidtirol“ geworben habe. Und dieser Prozess läuft noch.
Und in Frankreich ist vor kurzem eine Umweltschützerin in erster Instanz zu einer Zahlung von 125.000 Euro verurteilt worden, weil sie öffentlich kritisiert hatte, dass in Bordeaux-Weinen sehr viele Giftrückstände nachgewiesen wurden, wobei zwar kein einziger Grenzwert überschritten wurde, aber natürlich die Summenwirkung aller Gifte auf jeden Fall als gesundheitsschädlich einzustufen ist.
Also, jetzt zurück zu meinem Prozess: Ja, die Agrarlobby reagiert sehr schnell, um ihre Interessen zu schützen, einerseits, indem sie gesetzliche Verbesserungen im Sinne der Umwelt, der Gesundheit und der Tiere hintanhalten. Auch bei den Tieren ist ja klar, dass es diese Qualzuchtsysteme gibt, wo diese Tiere auf engstem Raum gehalten werden. Es gibt jetzt sogar schon von der EU eine Richtlinie, nach der die Schweine einen bequemen Liegeplatz haben müssen. Und das kann natürlich kein Vollspaltenboden aus Beton, sondern nur ein Platz mit Einstreu sein.
Also, die wehren sich natürlich massiv gegen alles, was innerhalb des Systems Kosten verursacht. Sie versuchen die berechtigte Kritik an Missständen mit Klagen klein zu halten, um ihre Interessen zu sichern. Dass die da nicht zimperlich sind, ist offensichtlich. Es ist aber jetzt nicht nur in der Landwirtschaft so, wir haben solche Fälle ja x-fach gehabt. Wir haben es gehabt beim Rauchen in den USA, da gab es auch jahrzehntelange Rechtsstreitigkeiten über die Frage, ob Rauchen gesundheitsschädlich ist. Die Gegenseite, die Tabakindustrie hat, als die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien die Schädlichkeit zunehmend nachweisen konnten, dagegen argumentiert. Sie haben dann an ihre Leute und Lobbyvertreter ausgegeben: Unser wichtigstes Produkt in diesem Konflikt ist der Zweifel. D.h. wir müssen diese Studien anzweifeln, ob sie denn wissenschaftlich haltbar sind. Das Gleiche haben wir beim Asbest gehabt. Das ist jahrzehntelang ein großes Geschäftsfeld der Baustoffmittelhersteller und der Bauindustrie gewesen und irgendwann ist es doch klar geworden, dass das Asbest durch seine feinen lungengängigen Partikel Lungenkrebs verursacht. Es gibt ein von Antje Bultmann und Friedemann Schmithals herausgegebenes Buch aus den frühen 1980er Jahren: „Käufliche Wissenschaft – Experten im Dienst von Industrie und Politik“, in dem etliche Fälle dokumentiert werden, wo von der Industrie bezahlte Forscher Ergebnisse geliefert haben, die später von unabhängigen ForscherInnen widerlegt werden konnten.
Wir haben dasselbe gehabt beim Pentachlorphenyl. Da hat die chemische Industrie aus den beiden Abfallprodukten, Chlor und Naphthalin, für die sie keine Verwertung gehabt hat, sehr giftige Holzschutzmittel hergestellt und vermarktet. Sie sind drauf gekommen, wenn man die beiden vermischt, tötet das jedes organische Leben. Und die Leute haben sogar ihr Holz in den Innenräumen damit gestrichen. Und sie haben zigtausende Leute damit gesundheitlich schwer geschädigt. Viele haben sie damit vermutlich auch umgebracht. Darüber ist es in den 1990er Jahren in Frankfurt zum sogenannten Holzschutzmittelprozess gekommen. Der ist allerdings gescheitert, weil es dabei sehr viele „Gutachten“ gegeben hat, die von der Industrie in Auftrag gegeben wurden und der Prozess über diese Gutachten verschleppt werden konnte. Das Scheitern des Prozesses an der finanzstarken Chemielobby hat der damals agierende Staatsanwalt Erich Schöndorf im Sachbuch „Von Menschen und Ratten – Über das Scheitern der Justiz im Holzschutzmittel-Skandal“ ausführlich dokumentiert.
Also, das ist alles gar nicht neu. Wir haben das auch gehabt beim Formaldehyd, bei etlichen anderen Produkten und haben das aktuell eben auch beim Totalherbizid Glyphosat. Die kurzfristigen Profiteure des Agrarsystems tun natürlich das, was ihren Interessen dient und versuchen auch bei der Justiz, sich mit ihren Mitteln durchzusetzen. Und das sieht man auch an meinem Prozess. Ich fühle mich da aber gar nicht als Märtyrer. Wenn du dich mit diesen Kräften anlegst, dann spürst du natürlich kräftigen Gegenwind. Aber um der Zukunft willen und für die Ökologie gibt es zum Widerstand gegen diese Agrarwirtschaft keine Alternative.
Ich bin da „gandhianisch“ geprägt: Wenn man ernsthaft um Erkenntnis und um die Überwindung von Missständen ringt, muss man auch fallweise bereit sein, dafür einen Preis zu zahlen. Dieser Preis relativiert sich aber, weil man gewinnt nicht nur an Erfahrungen und auch an Stehvermögen in solchen Auseinandersetzungen, man lernt auch juridisch viel dazu. Und vor allem hat man das Gefühl, dass man sich am Abend vor dem Schlafengehen und in der Früh in den Spiegel blicken kann, weil man das getan hat, von dem man geglaubt hat, es als das Richtige und Notwendige zu erkennen.
9 Findest du nicht auch, dass gewisse Gesetze und Regeln (gegen Ruf- oder Geschäftsschädigung, Verhetzung bis Hate speech, und Fake news) hauptsächlich von jenen Personen in Anspruch genommen werden, gegen die sie ursprünglich ins Leben gerufen wurden? Und dass mit diesen Gesetzen die BürgerInnen nicht geschützt werden, sondern versucht wird, damit KritikerInnen und Opposition mundtot zu machen? Und dass gerade zu Corona-Zeiten nur mehr eine Wahrheit erlaubt ist. Siehst du das ähnlich?
Ich sehe das ähnlich und ich sehe es so, dass der Kapitalismus eine Entwicklung genommen hat durch seine neoliberal-marktradikale Ausprägung, wo die Möglichkeiten, auf Gesellschaft und Politik Einfluss zu nehmen, extrem ungleich verteilt worden sind. Und natürlich agieren der Staat und die Politik nicht im luftleeren Raum, sondern im Rahmen der Strukturen und Mechanismen, die wesentlich von den dominanten Kapitalfraktionen und Interessensgruppen gestaltet werden. Die haben aufgrund der starken Medienkonzentration über die großen Mainstream-Medien natürlich auch gewaltige Möglichkeiten der Meinungssteuerung. Rainer Mausfeld hat da mit seinem Buch „Warum schweigen die Lämmer?“ eine beachtenswerte Analyse vorgelegt. Das erste große Meisterstück moderner massenmedialer Meinungssteuerung wurde im 1. Weltkrieg in den USA abgeliefert. Präsident Wilson hatte versprochen, die USA aus dem Krieg herauszuhalten und die Bevölkerung war zunächst mehrheitlich gegen jede Kriegsbeteiligung. Frankreich und Großbritannien hatten sich aber mit Kriegskrediten bei den US-Banken gewaltig verschuldet und die US-Finanzmogule hatten Angst, England und Frankreich könnten, wenn sie den Krieg verlieren, die Kredite nicht mehr zurückzahlen. Die Administration Wilson wurde umgepolt und in der Bevölkerung wurde auf der Basis psychologischer und soziologischer Studien eine Kriegsbereitschaft erzeugt. Durch den Kriegseintritt der USA 1917 konnte das Deutsche Reich in die Knie gezwungen werden. Diese Mechanismen der Meinungssteuerung sind heute natürlich noch wesentlich ausgefeilter.
Um z.B. über die aktuelle Friedenspolitik zu reden: die transatlantischen Netzwerke sind sehr stark und die spielen eine große Rolle bei der Entwicklung der NATO und ihrer Osterweiterung gegenüber Russland und der Dämonisierung Russlands, ohne dass ich jetzt Putin und seine Clique für Waisenknaben halte. Aber im Hintergrund muss man das einfach sehen.
Analog spielen diese Mechanismen natürlich auch bei der Entwicklung der Landwirtschaft eine Rolle. Und die agrochemische Industrie ist dabei natürlich ein gewaltiger Faktor, nicht nur von der Profitseite her, sondern auch hinsichtlich der Arbeitsplätze. Und über diese Interessen hat man dann auch die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie ins Boot geholt, weil man immer argumentieren kann: Es geht um Arbeitsplätze.
Wir müssen die ökologischen Interessen wahren, damit die Natur auch uns Raum lässt, damit sich langfristig auch eine friedensfähige menschliche Gesellschaft entwickeln kann. Das haben wir aufgrund der kurzfristigen profitwirtschaftlichen Interessensorientierung weitgehend aus den Augen verloren. Aber genau deshalb dürfen sich die Leute, die das erkennen, nicht einfach in die Knie zwingen lassen.
Ursprünglich waren es nur zwei Plakate, die den Ärger der Vertretungen konventioneller Landwirtschaft auf sich zogen. Noch dazu jetzt eher auf dem Lande und beschränkt auf die Steiermark. Durch den Prozess wurde das Plakat in zahlreichen Zeitungsartikeln und sogar in den Mainstreammedien publiziert. Außerdem hat der Bauernbund durch seine Anklage den Eindruck verstärkt, als Vertreter der Agrarlobby und den Chemiefirmen zu agieren. Die Justiz hat auch nicht wirklich davon profitiert, sie wirkt einseitig und voreingenommen. Und trotz der Einschüchterungsversuche von engagierten UmweltaktivistInnen wirkt es eher so, als ob durch die Repression die Solidarität mit dir und mit den Anliegen der Plakatkampagne noch massiv gestiegen sei.
Denkst du daher nicht auch, dass der Prozess für die Verteidiger chemisch-industrieller Landwirtschaft nicht eher als Schuss nach hinten betrachtet werden kann?
Ich glaube schon und ich vermute, dass in Kreisen des Bauernbundes und noch stärker in den Kreisen der Landwirtschaftskammer die Klage mittlerweile als Fehler betrachtet wird. Die Kammer hat zwar nicht geklagt, aber die hängen mit ihrem Ruf natürlich mit drinnen. Wobei – ein interessanter Punkt im Verfahren war ja auch noch die Frage, ob der Bauernbund überhaupt klagsberechtigt ist. Das haben wir bestritten, weil stellvertretend klagsberechtigt für alle steirischen Bauern, für die Landwirtschaft generell, unserer Meinung nach wohl nur der gesetzliche Vertretungskörper sein kann. Und das ist die Landwirtschaftskammer. Aber nicht eine Teilfraktion in der Kammer, auch wenn sie stärker ist als alle anderen und in der Steiermark sogar eine 2/3 Mehrheit stellt. Übrigens, nachdem das Urteil veröffentlicht worden ist, war interessant, dass der Bauernbund in seiner Zeitung einen ganz großen Artikel verfasst hat: „Bauern dürfen nicht mehr als Giftspritzer bezeichnet werden!“ Hingegen hat die Kammer das klein gehalten und nur einen kleinen Absatz in der Kammerzeitung veröffentlicht. Ich nehme an, dass die natürlich wissen, dass die Sache nicht ausgestanden ist und der Bauernbund am Schluss womöglich nicht Recht bekommt.
Aber es gibt sowieso keine Alternative. Ich warte auf den Spruch der 2. Instanz. Was immer es ist, angriffige Plakate sind offensichtlich ein gutes Mittel, um ein Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Und das wird sicher nicht das letzte Plakat gewesen sein.
Aber du bist optimistisch, dass du das gewinnst?
Ich bin optimistisch, dass ich das gewinne. Übrigens , weil du das vorher über die Justiz so pauschal gesagt hast. Da muss man jetzt vorsichtig sein. Ich habe bisher nur in der ersten Instanz verloren, bei einer Richterin, die sich meiner Meinung nach besser für befangen erklärt hätte. Ich habe aber großen Respekt vor der Justiz und glaube, ich werde auf einer höheren Ebene Recht bekommen. Und das Urteil in Südtirol zugunsten von Alexander Schiebel zeigt auch, dass es noch nicht so weit ist, dass eine notwendige gesellschaftliche Diskussion einfach verhindert werden kann.
Es ist sowieso lächerlich vom Bauernbund, man fragt sich, ob BB-Obmann Seitinger und die Leute in seinem Vorstand nie Fernsehschauen – und wenn sie schauen, ob sie auch die Berichterstattungen in Sendern wie Arte, ZDF, 3Sat oder den ORF verfolgen, wo es zur Entwicklung der Landwirtschaft immer wieder auch gute Dokumentationen gibt, die genau diese Kritik als legitim nachweisen, die wir da zur Debatte gestellt haben.
Leider sind diese Sendungen immer erst nach den zweiten Nachrichten und es kann sein, dass die Bauernbündler keine Lust mehr haben, sich nach einem anstrengenden Tag noch eine seriöse Dokumentation anzuschauen. Jedenfalls kommt es mir wirklich sonderbar vor, dass sie das zu bekämpfen versuchen, was in breiten Bevölkerungsschichten längst als legitime politische Debatte akzeptiert ist. Dass sie glauben, zu solchen Mitteln greifen zu müssen weist vielleicht aber auch darauf hin, unter welchem Druck sie stehen.
Das Interview mit Franz führte Hubert Krammer.
Im Herbst 2021 wurde Franz schließlich freigesprochen. Im Anschluss die erleichterte Aussendung der IST:
Thal, am 19. Nov. 2021
Medieninformation
Plakatklage des ÖVP-Bauernbundes gegen Franz Sölkner endgültig gescheitert!
Nach einem zweieinhalbjährigen Rechtsstreit hat der Dreiersenat des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz in seiner Entscheidung 6 R 108/21b vom 11. Nov. den Antrag des Bauernbundes auf Zulassung der Revision durch den OGH „zurückgewiesen. Dieser Beschluss bedarf keiner Begründung; ein Rechtsmittel dagegen ist nicht zulässig (§ 508 Abs 1 ZPO).“ (Originalzitat aus der Erkenntnis)
Zur inhaltlichen Begründung dieser ultimativen Entscheidung kann die bereits im Berufungsurteil ausgeführte Argumentation herangezogen werden:
- Den wesentlichen Plakataussagen, dass
- bestimmte Agrarchemikalien – wie etwa das Pestizid Glyphosat – als „Gift“ bezeichnet werden können,
- die in der agroindustriellen Nutztierhaltung eingesetzten Antibiotika eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen,
- die „giftunterstützte Landwirtschaft Mensch, Tier und Umwelt gefährdet“, liegen wissenschaftliche Fakten zugrunde.
2. Für die Zulässigkeit derartiger politischer Aussagen liegen hinreichende Erkenntnisse des OGH vor,
sodass von einem Revisionsurteil kein anderer Spruch zu erwarten gewesen wäre.
3. Das Plakat ist vom Menschenrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt.
In politischer Hinsicht ist die ÖVP-Agrarlobby mit ihrer Einschüchterungsklage („Slapp“ –Englisch für Tetschn, Ohrfeige, Kopfnuss) in zweifacher Weise gescheitert:
- Beim Versuch, die in unserer Gesellschaft schon lange vor sich gehende kritisch-öffentliche Diskussion über die nicht biobäuerlich orientierte, konventionelle Landwirtschaft per Gerichtsbeschluss einzuschränken,
- und in diesem Bereich eine weitere Rechtsentwicklung etwa durch Totalverbote (z.B.
Glyphosat) oder die Verordnung strengerer Grenzwerte zu behindern.
Die IST sieht damit den politischen Raum für notwendige weitere Schritte zur flächendeckenden Ökologisierung der Landwirtschaft und Förderung kleinstrukturierter biobäuerlicher Betriebe offengehalten. Gleichzeitig hoffen wir, dass der Bauernbund in der Verfolgung seiner Interessen auf die Ebene der politischen Auseinandersetzung abseits der Gerichtssäle zurückkehrt.